Archiv für die Abteilung 'Man schreit deutsh'

Aus der Asservatenkammer (1)

Montag, 22. Mai 2023 22:07

Ich mache, was ich hier mache, damit ich meinen Spaß habe (und sogottwill das Publikum auch). Ein Weblog nach Feierabend zu betreiben, ist jedoch kein Vergnügen, sondern mit Plackerei und Schlafentzug verbunden, und daher passiert hier seit Jahresbeginn fast nichts. Freilich hat die Betriebsruhe im „Abfall“-Entsorgungspark mittlerweile ein Stadium erreicht, das sogar mir zu statisch ist; also muß ich nun mal was tun.
Zum Glück gibt es etliche hundert Texte, die ich bloß auf Holz und sonst nirgends veröffentlichte. Weil viele dieser alten Werke es nicht verdient haben, auf der Festplatte zu verschallen, werde ich, bevor hier gar nix mehr passiert, von Zeit zu Zeit ein Teil herausholen, auf das ich weiterhin mit Wohlgefallen blicke. Solche Zweitverwertungen sind wenigstens Lebenszeichen, und eventuell finden sie hier eine Leserschaft, die sie einst vergeblich suchten.
Zwischen April 2021 und März 2022 veranstaltete ich in Kooperation mit KONKRET eine Satireserie namens „Hofgespräche“: Einszener (darf man das sagen?), in denen das Fußvolk die Großkopferten reizt, bis die sich zur Kenntlichkeit entblößen. Aus gegebenem Anlaß hole ich heute jenes Stück aus dem Depot, in dem Bundesklimaschutzhansel Habeck seinen großen Auftritt hatte. Ich glaube, daß ich ihn damals treffender charakterisierte als heuer eine Kompanie SPIEGEL-Redaktoren zusammen. Aber das ist, zugegeben, noch keine Kunst.
K. S.


Habe
ck reflektiert

(Berlin, Bundesgeschäftsstelle von Bündnis 90/Die Grünen, Lagerraum. Fahlgelbes Neonlicht.)

Robert Habeck (zieht ein Tuch von einem Standspiegel und mustert sich). Ich hab mich nicht verändert. Ich bin, wer ich bin.

Spiegel. Das sagen sie alle. Und ich muß es mir anhören und weiß, daß es Quatsch ist.

Habeck. Ach, mein guter alter Zauberspiegel – immer noch die große Klappe und die miserable Laune!

Spiegel. Laß du dich mal hier unten einsperren und bleib dabei fröhlich. Zwei Jahre! Seit zwei Jahren steck ich in diesem Kerker und kein Aas redet mit mir. Warum hast du mich nicht irgendwo im Ahrtal abgestellt? Da hätte ich wenigstens in Frieden ersaufen können.

Habeck. Na, sachte, sachte, lieber Spiegel. Ich war ständig unterwegs, hatte wahnsinnig viel um die Ohren. Wenn ich dich nicht versteckt hätte, wer weiß? Womöglich hätte die Annalena dich in die Finger bekommen. Wärst du dann glücklicher gewesen? Wärst du überhaupt mal zu Wort gekommen?

Spiegel (brummt etwas Unverständliches).

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Abteilung: Kaputtalismus, Man schreit deutsh, Sokolowsky anderswo | Kommentare (1) | Autor:

Zeitenwendreime (4): Osterausgabe

Samstag, 8. April 2023 23:29


Christus triumphans

Käme Jesus heute wieder
auf die alte Erde nieder,
wäre Er nach zwanzig Bieren
voll fürs Waffelexportieren.

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Abteilung: Lieder ohne Werte, Man schreit deutsh | Kommentare (2) | Autor:

Arbeiterverbräter

Sonntag, 20. November 2022 17:37

Daß man auf meine Vorhersagen besser nichts geben bzw. daß ich mich bloß nicht mehr als großes Orakel aufplustern sollte, habe ich einigermaßen selbstkritisch, sogar reuig Ende Februar zugegeben. Weder die Kanzlerwahl Olaf Schlzens noch den Einmarsch der russischen Armee in die Ukraine hatte ich prophezeit, vielmehr für unwahrscheinlich bis absurd erklärt. Peinlicher, trauriger konnte ich gar nicht danebenliegen.

Aber jetzt habe ich mal wieder rechtgehabt, und das will ich – aus Eitelkeit ebenso wie Notwendigkeit – gleich notieren, auch in der Hoffnung, das Büßerhemd irgendwann ausziehen zu können. Es trägt sich nämlich schlecht und fängt schon an zu riechen.

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Abteilung: Kaputtalismus, Man schreit deutsh, Sokolowsky anderswo | Kommentare (3) | Autor:

Nullenquartett (4): Karl-Th. zu Guttenberg

Montag, 24. Oktober 2022 22:41



In einem Quartett aus lauter Nullen sind alle Karten gleich wertlos, deshalb kann es keine höchste geben. Aber einen persönlichen Favoriten schon. In dem Lieblingsquartettspiel meiner Kindheit („Ozeanriesen“) war der Transatlantik-Cruiser „France“
zwar nicht der Joker, der alles stach, doch die Karte, die ich mit dem größten Vergnügen betrachtete und eifersüchtig begehrte. (Was war das aber auch für ein prächtiges, stolzes, schnittiges Schiff!)
Ähnlich geht es mir mit der folgenden Polemik, die erstmals in KONKRET 5/2010
erschien. Sie ist an dem, was ich für das Bestmögliche in meinem Beritt halte, so nah wie die „France“ in ihrem – eine nahezu ideale Melange von Kraft und Eleganz. Für die Blogfassung des Artikels mußte ich bloß Kleinigkeiten ändern. Und wer errät, auf welches Wortspiel ich mir das meiste einbilde, derdiedas darf sich (Achtung! Hinweis:) etwas wünschen.
K. S.

***

Windbeutels Ende

Als er anfing, gewann er in sämtlichen Kategorien. Er trat staatsmännischer auf als Horst Köhler. Er hatte mehr Charisma als Angela Merkel. Er bleckte die Zähne erotischer als Ursula von der Leyen. Das Nichts, was alle können, konnte er besser als jeder andere. So wurde Karl-Theodor zu Guttenberg zum einzigen Kabinettsmitglied, vor dessen Beliebtheit sogar „Mutti“ die Muffe sauste.

Der Oberfranke mit dem „Quaderschädel“ (Patrick Bahners) stellt ideal dar, wie Politiker beschaffen sein müssen in der postsozialistischen, monoideologischen Welt. Er ist ein Mann ohne Eigenschaften, der sich gewünschte Attribute je nach Bedarf anklebt. Ein Schwätzer summa cum laude, mindestens so selbstverliebt wie Berlusconi oder Sarkozy. Doch anders als sie braucht er auf keinen Schuhkarton zu steigen, damit die Photographen ihn entdecken. Obgleich nichts weiter als eine Charaktermaske, vergöttert ihn das Publikum. Denn sein Habitus, von der dynamischen Gelfrisur bis zu den staatstragenden Gesten, spiegelt die ökonomischen Verhältnisse, aus denen er stammt, makellos wider. Dies ist das „Authentische“, das seine Groupies magnetisiert. An Guttenberg ist zwar bloß seine Herkunft glaubwürdig, doch damit hat er schon viel mehr als der Rest im Nest zu bieten.

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Abteilung: Director's Cut, Man schreit deutsh, Qualitätsjournalismus | Kommentare (2) | Autor:

Zeitenwendreime (2)

Dienstag, 17. Mai 2022 19:57



Blau und gelb sind meine Farben,
denn sie zeigen mein Bemühn
um die Freiheit, um den Frieden,
um das Klima, um die Welt,
um die Kinder, um die Umma,
was uns halt zusammenhält.
Blau und gelb mit meinen Tränen
zu verrühren – ach, wie grün!

***

Kein Sechser im Lotto, sondern ein Zehner
ist unser Glücksfall, die Frau Annalena.

War ein Weltkrieg jemals schöner
als mit unsrer Annalena?

Wie dereinst beim Nazarener
ist Wottes Gort mit Annalena.

Was ist bitteschön obszöner –
Appeasement oder Annalena?

Es sagt dieser Tage manch Schizophrener:
„Meine bessere Hälfte heißt Annalena.“

Die einen löffeln Kaviar, die andern futtern Döner,
doch ich, ich hab zum Fressen gern meine Annalena.

***

Den Russkies gilt ein Menschenleben nix,
zumal das eigene ist Russkies scheißegal.
Wir folgen also bloß der Russkieschen Moral
mit unsern Panzern. Grüße, Ihr Ralf Fücks.

***

Der Ukraine haben wir’s geschworen
und halten uns loyal daran:
Wenn ihr verliert, sind wir verloren,
drum kämpft schön bis zum letzten Mann.

Photo: „Love-bombing“,
by The Noun Project,
[CC BY 1.0],
via Wikimedia Commons

Abteilung: Der schreckliche Iwan, Lieder ohne Werte, Man schreit deutsh | Kommentare (1) | Autor:

Zeitenwendreime

Dienstag, 3. Mai 2022 16:15


Man erkennt den Killeraffen
am Friedenschaffen ohne Waffen.

***

Sei kein Lumpenpazifist!
Sei kein feiger Versteher des Russ’!
Wer nicht schießen will, hat einen Schuß!
(Gez. Lobo, Erzmoralist)

***

Herr Putin frißt zum Frühstück Kinder.
Mittags gibt’s Wolfsmilch und Satansbraten.
Blutwurst mit Senfgas und Apfelgranaten
serviert man am Abend dem Schinder.

***

Kein Mehl und kein Öl mehr, nicht duschen, nachts frieren –
so werden wir Rußland garantiert ruinieren.

Photos:
„German soldiers with Belgian orphans“,
by Underwood & Underwood [Public domain],
via Wikimedia Commons

Spare Seife aber wie“,
by Lucian Bernhard [Public domain],
via Wikimedia Commons

Abteilung: Der schreckliche Iwan, Lieder ohne Werte, Man schreit deutsh | Kommentare (5) | Autor:

Totale: Krieg (3)

Mittwoch, 2. März 2022 20:34


Dann aber, nach einigen Invasionstagen, wurde der Moloch aufmüpfig und ließ seine Moderatoren erstmals nach dem „Sinn“ der Angriffe fragen. Es ging jedoch nicht um tote Serben, sondern um die Abwesenheit einer fernsehgerechten „Erzählung“ dieses Krieges. Das „Briefing“-Ritual schön und gut, jetzt allerdings wurde es Zeit fürs Melodram: Wo, bitteschön, blieben die toten Helden, wo die trauernden Kriegerwitwen, wo, zum Henker, die Leichenberge, von denen der Verteidigungsminister so enthusiastisch erzählte? Im Golfkrieg mochten die Restlichtaufnahmen vom Bagdader Nachthimmel noch genügt haben, die Kundschaft bei der Stange zu halten; doch nun war es Zeit für einen neuen Hut.

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Abteilung: Der schreckliche Iwan, Man schreit deutsh, Qualitätsjournalismus, The real pulse of Europe | Kommentare (2) | Autor:

Totale: Krieg (2)

Dienstag, 1. März 2022 18:55

Wie ein Dutzend Rosenkränze auf Verstörungen des Gemüts, dank Mechanik und Geleier, durchaus besänftigend wirkt, hat die solide Verwechselbarkeit der TV-News mit denen von gestern, vorgestern und auch vom letzten Jahr die „Tagesschau“ längst in eine Art sedatives Ritual verwandelt: Nicht Informationen locken den Zuschauer vor die Röhre, sondern die schöne Gewißheit, daß die Welt sich in der Nachrichtensendung zuallerletzt verändern wird. F.W. Bernstein hat den schonenden Ton, in dem sogar das Armageddon in der „Tagesschau“ vermeldet werden wird, bereits 1987 grandios antizipiert: „(Köpcke) und alle seine halben Erscheinungsformen sollen mit uns sein bis ans Ende der Welt, und er wird’s uns schon sagen, wenn’s soweit ist: GONG! Und er schreit mit großer Stimme, wie ein Löwe brüllet, und da er schreit, reden sieben Donner ihre Stimmen: ‚Bonn. Außenminister Genscher bezeichnete den Weltuntergang als ein Ereignis von besonderer Tragweite …‘“ Sehr viel anders klang’s am 24. März 99 auch nicht.

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Abteilung: Der schreckliche Iwan, Kaputtalismus, Man schreit deutsh, Qualitätsjournalismus | Kommentare (0) | Autor: