Der Gewissensfall
Samstag, 19. März 2016 19:20
Das objektive Ende der Humanität ist nur ein anderer Ausdruck fürs Gleiche.
Es besagt, daß der Einzelne als Einzelner, wie er das Gattungswesen Mensch
repräsentiert, die Autonomie verloren hat,
durch die er die Gattung verwirklichen könnte
Theodor W. Adorno, Minima Moralia [Reflexion Nr. 17]
—
Wie erträgt es ein Mensch, so über Mitmenschen zu denken, ganz gleich wie ungleich sie ihm sind an Wohlstand und bestimmt auch Charakter, wie hält ein Mensch es mit sich selbst aus, wenn der Menschheit ganzer Jammer ihm bloß Anlaß für derlei miese Witze ist –
Gibt es für diese Art der Beharrlichkeit eine halbwegs vernünftige Erklärung? Ja. Anders als im hedonistischen Europa, wo Jugendliche, denen der Einlaß in eine Disko verweigert wurde, wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung behandelt werden müssen, gilt in der arabisch-islamischen Kultur das Leiden als ein Wert an sich
– wie kann dieser Verfasser solche Steinherzigkeit, solchen Hochmut, solche Misanthropie mit dem vereinbaren, was ihm als Gewissen verblieben ist? Und wie weit entfernt von der Befähigung zum Mitgefühl, zur Trauer und vor allem Scham muß einer sein, der den Vorwurf, einem Rassisten gleich zu reden, nicht etwa empört zurückweist, sondern damit kokettiert?
Das festzuhalten grenzt in Zeiten der Political Correctness an „kulturellen Rassismus“, macht die Feststellung aber nicht weniger wahr. Märtyrer zu werden, sich zu opfern ist in der arabisch-islamischen Welt als Lebensziel ebenso weitverbreitet wie unter deutschen Jugendlichen der Wunsch, Eventmanager zu werden. Familien von Märtyrern genießen großes Ansehen. Der Stolz auf ihre Kinder – vor allem Söhne, aber auch immer öfter Töchter – läßt weder Trauer noch Scham aufkommen.
Abteilung: Kaputtalismus, Man schreit deutsh, Qualitätsjournalismus, Zeuge der Geschichte | Kommentare (2)