Vanitas ementiendae stirpis

Freitag, 6. Februar 2015 23:43

Seit 48 Stunden kennt die Welt nun mein Bild, beherrscht es die Mauern und Leinwände der Stadt. Autogrammjäger und Bewunderer müßten mich, mutmaße ich, bedrängen, sobald ich die Klause verlasse. Doch ob auf der Straße oder im Supermarkt, im Omnibus oder beim Naseputzen – die Leute starren hastig an mir vorbei, ignorieren mich, so gut sie vermögen. Gleichzeitig spüre ich, wie sie mich hinterrücks angaffen, aus den Schatten beobachten.

Ist dies der bittere Lorbeer des Ruhms? Daß der gemeine Mann, die brave Frau sich mir nicht mehr zu nähern wagen? Dies kann, es darf nicht sein. Bin ja einer von euch, Bürger! Einer, der lacht wie ihr, blutet wie ihr, sterblich ist und genauso schnell beleidigt wie ihr! Meine Freunde, nur keine Scheu, faßt euch ein Herz, tretet heran! (Nein, so nah bitte auch wieder nicht.)

Sollten jedoch die Hamburger nur deshalb meinen Blick meiden, weil mein politischer Appell ihr Gewissen aufgewühlt hat, nun, damit kann ich gut schlafen. Was mir echt zu denken gibt … Der Lanz hat sich immer noch nicht gemeldet.

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Vanitas vanitatum

Donnerstag, 5. Februar 2015 22:25

Jetzt bin ich schon seit 24 Stunden weltberühmt, und der Lanz hat immer noch nicht angerufen!

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Six seconds on the silver screen

Mittwoch, 4. Februar 2015 23:35

Sofern Sie in Hamburg leben, könnte es sein, daß Ihnen dieser Tage ein Plakat begegnet, auf dem neben mehreren anderen Männern und Frauen Kay Sokolowsky – wenngleich künstlerisch verfremdet – zu erkennen ist. Das Transparent stammt von Campact und soll die Insassen der Hansestadt anregen, vor der Bürgerschaftswahl am 15. Februar über TTIP und CETA nachzudenken; weitere Informationen (und das Poster) finden Sie im Blog des Campact-Teams.

Wie Sokolowsky auf den Anschlag kam, ist schnell erzählt. Vor mehreren Wochen bat Campact per Rund-E-Mail um prägnante Slogans wider die geplanten Abkommen. Wer wolle, möge ein Digitalphoto beilegen, es sei Größeres geplant. Sokolowsky hatte die Sache schon wieder vergessen, als ihm mitgeteilt wurde, er sei erstens für das Plakat ausgewählt worden und zweitens eingeladen, seinen Spruch in einem Kinospot aufzusagen.

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Le sonnet des souvenirs d’été*

Dienstag, 3. Februar 2015 23:35

Souvenirs_d_ete_01_(c)_Kay_Sokolowsky
Von Wintertages Grauen selbst entfärbt,

so fern den warmen Stunden, kurzen Nächten,
Bewölkung im Gemüt und eingekerbt
im Herzen eine Sorge, diese schlechten

und bleichen Wochen blieben immer hier,
steh ich gebeugt, die Augen ohne Leben.
Doch dann erscheinst du Pappenschüssel mir,
gefüllt mit deinen Wundern und Geweben,

mit vollem Korn und Sommers Sonnenstaub,
mit Grüßen der Vergangenheit, die lohnen
für langes Harren in der Dunkelheit. Das Laub,
so blau wie einst, die Fliegenpharaonen,

die zarten Flügel einer reichen Zeit
erinnern mich an weiche Heiterkeit.


* Beim Putzen der Küchenfensterbank unter einer Sammlung ausrangierter Akkus entdeckt.

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Ich weiß, wassu

Montag, 2. Februar 2015 23:25

Schlimmer-Himmel_(c)_Kay_Sokolowsky

Himmel überm Schwarzen Weg (Symbolbild)

Zweieinhalb Stunden vor Mitternacht; mir gegenüber im Bus, gleich hinterm Fahrer, blökt er pausenlos in sein Telephon: Ein Halbstarker („kaukasischer Typ“, wie es in einem nordamerikanischen Polizeibericht hieße), den Mützenschirm tief im Nacken, mit einem Wortschatz von summa 120_Einzelstücken und einer gewissen Vorliebe für Synaloiphen und weiche Konsonanten – ich werde gleich versuchen, den Sound nachzumachen.

Die jegliche Privatheit verachtende Lautstärke seiner Smartphone-Durchsagen geht mir zunächst so auf die Nerven, daß ich den Inhalt ignoriere. Außerdem ärgert mich, daß der Buspilot, den das Gebölk mindestens so penetrant wie mich heimsucht, nichts unternimmt.

Ich bin knapp davor, den Schreihals zu stopfen, als ich begreife, warum der Chauffeur sich zurückhält – ihn bannt die Geschichte, die er zu hören bekommt und die dank schierer Schallkraft sich nun auch in meine Synapsen bohrt.

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Abendländische Tradition en détail

Sonntag, 1. Februar 2015 23:40

Richtplatz_Luzern_Detail_01_(c)_Wikimedia_commons

Christliche Nächstenliebe in der Praxis (aus der Luzerner Chronik von Diebold Schilling)


Am Wochenende habe ich viel in Wilhelm Zimmermanns monumentaler Geschichte des großen Bauernkrieges* gelesen, um mich daran zu erinnern, woraus sie bestehen, die Tradition, die Werte, der Geist, kurz: die Kultur des Abendlandes, welche so viele, und nicht nur Pegidazis, so gern beschwören. Ich weiß jetzt wieder genauer, warum sie sich völlig zu Recht als deren Erben fühlen:

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Der schreckliche Iwan (11): Nun brich los!

Samstag, 31. Januar 2015 22:33

So frei, so ergreifend bürgernah ist die Ukraine seit der Vertreibung Janukowitschs:

Die Ukraine will die Ausreisebedingungen für wehrpflichtige Männer verschärfen. Grund ist die Flucht zahlreicher Ukrainer vor einer Mobilmachung. (…) Insgesamt könnten in diesem Jahr bis zu 100.000 Ukrainer mobilisiert werden. Poroschenko will dadurch die Truppen in der Ostukraine verstärken. Seitdem flohen viele Einberufene in benachbarte EU-Staaten oder nach Rußland.

Die Begeisterung für die neue, befreite Politik (alles für den Krieg, nichts für die Leidenden) könnte größer nicht sein:

Im nordwestlichen Bezirk Wolhynien sei der Anteil der Wehrdienstverweigerer aus religiösen Gründen von 0,7 auf 17 Prozent der Wehrpflichtigen gestiegen. Es gebe Dörfer im Bezirk Iwano-Frankiwsk, wo die Bewohner gemeinsam zwei Busse gemietet hätten, um die potentiell wehrpflichtigen Männer nach Rußland zu bringen; in einem Ort an der ungarischen Grenze hätten von gut 100 Wehrpflichtigen nur drei überhaupt den Befehl, sich zur Musterung einzufinden, entgegengenommen. (…)

Wer genug Geld hatte, konnte sich eine Untauglichkeitsbescheinigung kaufen (…) nach dem örtlichen Lohnniveau gestaffelt von 800 US-Dollar im Bezirk Ternopil bis zu gut 3.000 Dollar im reicheren Kiew. Die Reaktion der neuen Machthaber auf diese Zustände ist bezeichnend. Sie wollen die Möglichkeit, sich freizukaufen, gesetzlich regeln (…). Ein dem ukrainischen Parlament vorgelegter Gesetzentwurf sieht vor, die Freikaufsumme mindestens auf den Jahressold eines Berufssoldaten anzuheben.

 

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Heiteres Ratespiel für die gebildeten Stände (3)

Freitag, 30. Januar 2015 15:28

According_to_what_(c)_Kay_Sokolowsky

Kunst im öffentlichen Raum – das ist mehr als Deko oder Taubenkotdepot. Hier wird der perennierende Konflikt zwischen dem Schein und dem Sein manifest. Kunst im öffentlichen Raum provoziert: zum Widerspruch, zur Parteinahme, zur Interaktion.

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