Man schreit deutsh (2): Die Tintenfahne

Wo sitzt der Nationalist, wenn er sich auf die Nation verläßt? Richtig, in der Tinte. Wahrscheinlich geht dem Online-Versand Tinte.de die Subversion ab, an so was zu denken. Aber bei der aktuellen Werbe-Offerte dieses Shops für Druckerzubehör kommt ein vaterlandsloser Gesell wie ich gar nicht umhin, den Zusammenhang zwischen Chauvinismus und zäher Schmiere herzustellen:

   Es kann so ein Wagenwimpel in Schwarzrotgelb nicht viel wert sein, wenn er den immerhin um ein knappes Drittel preisreduzierten Tintenpatronen „plus gratis“ hinterhergeworfen wird wie irgendein Fetzen. Aber am Ende ist eine Flagge, ob lakengroß, ob in „30 x 45 cm“, tatsächlich nichts weiter als ein Lappen, in dem der Bürger all die Träume einwickelt, die für den Nachbarn jenseits der Grenze ein Alptraum sind; ein mehr oder weniger stabiles Stückchen Stoff, das trotz seiner fürchterlichen Nebenwirkungen nicht nur legalisiert ist, sondern zur Beförderung des Handels in Zeiten von Europa- und Weltmeisterschaften allem beigepackt wird, was weit, weit eher ein Lebensmittel ist als das meistens mit dem Tod belohnte Bekenntnis zu Nation und Vaterland. („Patria o muerte“, der Kampfpsalm der kubanischen Revolutionäre, ist ein pathetischer Schwindel, der mir Fidel Castro und Che Guevara nie recht geheuer erscheinen ließ, obwohl ich ihnen sonst gewogen bin.)

   Derweil sieht man auf den Straßen kaum Autos, die sich mit der teutschen Trikolore aufgemotzt haben. Das verwundert ein wenig – schließlich ist der Schnickschnackschmuck in jedem Super- und Baumarkt tütenweis spottbillig zu bekommen. Eventuell hat sich seit dem großdeutschen Jahr 2006 herumgesprochen, wie doof die Flicken aussehen; wahrscheinlicher hat man Angst um die Kasko-Prämie. Deutscher Nationalismus kennt nämlich nur eine Grenze, und die heißt Versicherungsanspruch.

   Aber hie und da rollen bzw. parken sie ja doch herum, die Autos mit Staatsstandarten. Und wenn wir unterstellen, daß außer Tinte.de kein einziger Händler seine Fetzerl losgeworden ist, dann läßt sich ab jetzt an den beflaggten Karren ablesen, was für einen Tintenstrahler der Chauffeur zu Hause herumstehen hat. Also dieser hier einen ziemlich guten mit vier Kartuschen:

   Und der da eine Billigzwiebel mit bloß zween:

    Da helfen auch die patriotischen Kondome über den Seitenspiegeln nicht mehr auf – hier ist ein Verlierer unterwegs, ein Druckfehler mit Frontantrieb, wenn man so will. Er beziehungsweise sie sei freilich getröstet: Verrissen haben alle, die solche Deko anstecken. Oder als Gimmick ausloben, um den Verkauf anzukurbeln, wie die Massen-Mail-Beauftragte Sabine Fedder von Tinte.de.

   Das kommt eben davon, wenn man seinen James Krüss nicht gelesen hat, das heißt, dessen entzückendes Kinderlied vom „Zauberer Korinthe“:

Es lebte einst der Zauberer
Kori, Kora, Korinthe.
Der saß in einem Tintenfass
Und zauberte mit Tinte.

Wenn jemand damit Briefe schrieb
Und schmi und schma und schmollte,
Dann schrieb er etwas anderes
Als was er schreiben wollte.

   — Und das dichtet sich fast automatisch weiter:

Doch wenn du nicht vertrotteln magst,
Kori, Kora, Korinthe,
Dann kackst du an den Flaggenmast
Und kleckst darauf mit Tinte.


Samstag, 16. Juni 2012 14:00
Abteilung: Kaputtalismus, Man schreit deutsh

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