Aufgelesen (2): Gegeninformationen

Spiegel online berichtet heute, daß „die Behörden“ in Nordrhein-Westfalen ein Verbot des braunen Haufens „Die Rechte“ prüfen. An Belegen für die Verfassungsfeindlichkeit der Truppe mangelt es nicht. Denn ihr Anführer heißt Christian Worch, wurde einst angelernt vom Hitler-Wiedergänger Michael Kühnen, ist seit bald 40 Jahren natioaktiv, durfte sich ein paar Wochen im Knast als Märtyrer der Bewegung aufplustern, leugnet den Holocaust und bringt auch sonst alles mit, was man von einem, mit Karl Kraus zu sprechen, Arischgesicht erwarten darf.

Wo Worch vorwegmarschiert – zum Beispiel bei jährlich Dutzenden von braunen Aufläufen, jüngst besonders auffällig bei den „Abendspaziergängen“ von Pegida –, da folgen garantiert keine Freunde von Demokratie, Gleichberechtigung und Menschenwürde. Sondern Rassisten, Judenhasser, SA-Männer in spe und andere Grundgesetzlose. Kurz: Zu einem Verbot von „Die Rechte“ wird es niemals kommen. Schließlich sind Fachleute im Einsatz:

Nach Spiegel online-Informationen tragen Staats- und Verfassungsschützer seit Wochen intensiv zusammen, was an aktuellen Informationen gegen die Neonazi-Partei vorliegt.

Mal davon abgesehen, daß es Informationen nur über etwas geben kann –: Es würde mich nicht wundern, wenn hier intensiv zusammengetragen wird, damit‘s am Reißwolf zügiger vorangeht. Aber was weiß ich schon!

Jörg Diehl, der Autor des Artikels, weiß zwar noch weniger als ich, doch er hat eine Ahnung, die mir abgeht. Trotz des NSU und trotz aller empörenden Details, die man mittlerweile über die Verstrickungen von Staats- und Verfassungsschutz in das Treiben der Mörder sowie über die Zerstörung von Beweismaterial durch „die Behörden“ erfahren konnte (wenn man wollte), spekuliert Diehl allen Ernstes:

Das könnte darauf hindeuten, daß ein seit zweieinhalb Jahren diskutiertes Verbot der Gruppierung näher rückt.

Und die gebenedeite Einfalt dieser Vermutung könnte darauf hindeuten, daß Jörg Diehl völlig zu Recht Chefreporter von Spiegel online ist.


Montag, 23. Februar 2015 23:48
Abteilung: Aufgelesen, Man schreit deutsh, Qualitätsjournalismus

3 Kommentare

  1. 1

    Da werfen Sie Herrn Diehl gekonnt Rechtschreibschwäche und Naivität vor, wünschen sich aber genau das von ihm vage in Aussicht gestellte als Ergebnis? Oder nicht?
    Läßt sich denn Bösartigkeit und Doofheit durch Verbieten aus der Welt schaffen? Diese Art der Teufelsaustreibung übt auf gewisse sektenaffine Trottel bloß wieder einen Reiz aus …

    Da haben Sie so recht, wie es nur geht. Ich hätte wohl deutlicher machen sollen, für wie albern ich dieses Spekulieren über Naziparteienverbote halte. Für wie obsolet, so lange der Verfassungsschutz unzählige V-Leute in diesen Trottelvereinigungen mit Grundeinkommen versorgt. – Ein Verbot z. B. von „Die Rechte“ erscheint mir, wie Ihnen, sinnlos, aus denselben Gründen. (Außerdem haben Erznazis wie der Worch große Übung darin, nach einem Verbot sofort den nächsten braunen Club zu gründen.) KS

  2. 2

    „… was man von einem, mit Karl Kraus zu sprechen, Arischgesicht erwarten darf.“
    Wo hat KK dies großartige, treffliche Wort „Arischgesicht“ geschrieben? (In der Fackel offenbar nicht.)

    Tja, so was passiert, wenn eins aus dem Gedächtnis, dem grundlosen, zitiert. Ich hab keinen Schimmer, wo ich das bei Kraus gelesen habe (und ob ich überhaupt). Aber daß der Kalauer von ihm sein könnte – na ja, is ooch keene Ausrede. Vielleicht gibt es Leser dieses Blogs, die weiterzuhelfen vermögen? Danke im voraus. KS

  3. 3

    Ein Spon-Kommentar anno 2010 schrieb das Wort auch hin und meinte ebenfalls (aber ohne Beleg) es wäre von KK.
    Dto. in einem Kommentar beim standard.at, ebenfalls 2010 und ebenfalls ohne Beleg.
    Gremliza ist wohl ernster zu nehmen:
    Konkret 7/2001, S. 66.
    Aber – ich kenn‘ den Text leider nicht – ob er’s nur zitiert oder selbst…? (Gremliza trau ich’s zu.) Hier der Zusammenhang:
    „Daß dem Autor Klaus Wagener in einem konkretkritischen Beitrag für die UZ ein Grammatikfehler unterlaufen war, genügte Hermann L. Gremliza, ihn als „Arischgesicht“ zu enttarnen“,
    Und: „Bereits im Juli-Heft von KONKRET nahm Hermann Gremliza einen grammatikalisch falschen Plural im UZ-Vorabdruck des KONKRET-kritischen „MB“-Artikels von Klaus Wagener zum Anlaß, um den Autor als „Arischgesicht“ zu enttarnen.“
    Und bei Brecht:
    „Ich möchte gerne wieder in Dein arisch Gesicht blicken wie einst im Mai.“ Entweder in „Mahagonny“ oder: Bronnen zitiert in TAGE MIT BERTOLT BRECHT einen Brief von Brecht, in dem der Satz „ich möchte gerne wieder in dein arisch gesicht blicken“ steht.
    Tja. Ich bin so schlau als wie zuvor.
    Da in der Regel alle Texte von KK zuvor (oder: auch) in der Fackel standen, erst recht solch großartige Wortschöpfung, die dort aber nicht vorkommt, vermute ich:
    Brecht (allerdings in zwei Worten, also den trefflichen Witz nicht erkennen) oder Gremliza; der selbst drauf kam, oder seinen Brecht kannte, oder es auch (fälschlicher- oder richtigerweise) KK unterschob.
    Wer weiß mehr?

    Respekt für Ihre Recherche! In einem Punkt muß ich Sie freilich korrigieren: KK hat keineswegs „in der Regel alle“ Arbeiten in der Fackel veröffentlicht – seine zahlreichen Offenbach-Bearbeitungen z. B. nicht, aber auch nicht den zum Verständnis des ästhetischen Programms KKs unverzichtbaren Aufsatz Nestroy und die Nachwelt. – Evtl. ist es gar nicht so wichtig, ob der Kalauer von KK stammt oder nicht. Er KÖNNTE das Wort erfunden haben, also darf man es ihm auch zuschreiben. Das ist die höhere Wahrheit der Poesie, wenn ich mal romantisch werden darf. (Im übrigen finde ich die BB-Spur recht heiß.) KS

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