Die blödeste der Parteien

Es reicht, Sozis.

Eure historische Mission – die Atomisierung der arbeitenden Klasse – ist seit 1914 erfüllt. Eure Bedeutung entspricht, bestenfalls, der des HSV in der Bundesliga: Ihr seid zwar noch da, doch außer euch selbst hält niemand dies für eine Leistung oder gar Notwendigkeit, sondern alle Welt findet euch grottenpeinlich. Sperrt den Laden zu, geht nach Hause und sagt, falls einer fragen sollte, wie ihr so tief sinken konntet: „Wir wollten auf Augenhöhe mit unserem Programm sein.“

Euer Parteichef, Sozis, blökt seit der Wahl herum, ihr wolltet euch in der Opposition „erneuern“. Und so sieht das dann aus: Der Mann, der das miserabelste Wahlergebnis seit 1949 einfuhr, bleibt im Amt, als wäre gar nichts passiert. Die Jubelchöre, die Martin Schulz am Sonntagabend von den Genossen im Willy-Brandt-Haus gesungen wurden, zeigen, wie einfältig ihr seid, wie wenig Selbsterkenntnis und -achtung ihr habt. Niemand aus der Parteiführung zieht eine Konsequenz aus seinem Versagen, keiner stellt sich hin und sagt: „Wir haben‘s gründlich vermasselt, es ist besser, wenn wir uns verkrümeln.“ Aber ihr, Sozis, findet das in Ordnung, ihr meutert nicht, ihr pfeift nicht mal oder buht, obwohl eure Partei von diesen aufgeblasenen Apparatschiks ruiniert wurde. Nun, in dieser Stunde der Prüfung, müßt ihr ja alle zusammenhalten, sonst wird es, das glaubt ihr Schafe allen Ernstes, nichts mit der „Erneuerung“.

Und die sieht nun so aus: Die Frau, die alles verdarb, was sie anfaßte in ihrer Zeit als Arbeits- und Sozialministerin, die als „Parteilinke“ verkauft wird, obwohl neben ihr ein Typ wie Hermann Gröhe progressiv wirkt (und der ist in der Union) – diese Andrea Nahles, die kurz vor der Wahl eine Erhöhung der Hartz-IV-Hungersätze um maximal acht Euro pro armem Schlucker für menschenwürdig erachtete (Kleinkinder: drei Euro), die sich auf einen Mindestlohn, der nicht fürs Mindeste reicht, etwas zugute hält, die dem Grundrecht auf Koalitionsfreiheit, für dessen Durchsetzung Sozis früherer Zeiten ihre Existenz riskierten, den Krieg erklärte – dieser Funktionszombie ohne irgendeine Ambition übers eigene Wohlergehen hinaus, diese groteske Figur, die nur in dieser SPD was werden konnte, weil in der blödesten der Parteien Intelligenz schon seit Jahrzehnten der Karriere schadet (siehe auch: Schulz, Lauterbach, Scholz) – diese witzische Peinsäckin und Doppelquarktasche ist nun Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag und soll sie „erneuern“.

Meine Güte, Sozis, wie am Arsch, wie hohl und obsolet ist eure Partei, wenn ihr solche Knallchargen, die nichts können und nichts schaffen, als „Hoffnungsträger“ erkiest! Wenn ihr nach einer Katastrophe wie der vom Sonntag die Verantwortlichen nicht zum Teufel jagt, sondern als Anführer behalten wollt, als, ogott, Galionsfiguren! Was ist das für eine „Erneuerung“, wenn der Vorsitz der Bundestagsfraktion ohne auch bloß einen Alibi-Konterkandidaten zur Abstimmung gestellt, wenn darüber unter euch nicht mal diskutiert wird? Kriegt ihr diese bizarre Demonstration von Postdemokratie selber noch mit? – Tschuldigung, war ‘ne rhetorische Frage.

Und, zugegeben, ist alles nichts Neues. Nicht der Kadavergehorsam der Listenleute noch die Verlogenheit der Intendanz, nicht der Selbstbetrug der Basis noch die Schamlosigkeit des Überbaus. Es ist ebenso lange bekannt, daß ein „Neuanfang“ in der Sozialdemokratie niemals etwas anderes sein kann als der gewohnte Mist, nur mit schlimmerer Duftnote. Doch was ihr, Sozis, jetzt tut, ihr Bollwerker der Demokratie, ihr Trottel und Opportunisten, ihr Pfeifen und Pflaumen – was ihr nun vorlegt, ist der Ausweis zur Reise in den Orkus, in „eine Welt voll Scheiße“ („Full Metal Jacket“), in das Nichts, das ihr selbst „mit Leidenschaft“ seid.

Denn kaum hatte die CDU verkündet, den Zwangscharakter, Erzchauvinisten, Parteispendenheuchler, Linkenhasser, Austeritätssadisten, kurz: die schwarze Null Wolfgang Schäuble als neuen Bundestagspräsidenten vorzuschlagen, wart ihr, Sozis, sogleich begeistert dabei. Das also heißt bei euch Opposition: daß euch, Sozis, nicht mal eine Alternative einfällt, daß euch an der Obszönität dieser Kandidatur rein gar nichts auffällt. Das also ist eure „Erneuerung“: trotz Absage an die Regierung deren Arbeit erledigen.

Ihr seid eine Schande, ein schlechter Scherz, ein Schrott. Haut ab, haut ab, haut ab. Bitte. Kommt nie wieder. Bitte. Ihr seid schon seit Jahrzehnten rückgratloser Schneckenschleim. Löst euch nun, bitte, für immer auf. Es ist doch spätestens seit dem mörderischen Überfall auf Jugoslawien, den euer Kanzler und euer Kriegsminister 1999 befahlen, fällig.

Die Selbstentleibung wäre der einzige würdevolle, weil selbstbestimmte Akt, der euch, Sozis, noch bleibt, bevor ihr sowieso, weil die letzten treuen Wähler zügig wegsterben, aus einer Welt verschwinden müßt, der ihr nichts zu bieten habt als eure „Leidenschaft“, eure Tradition und eure Teamleader, also: gar nichts.

Und seht es mal positiv, Sozis: Wenn ihr weg seid, kann niemand mehr sagen, ihr wärt die blödeste der Parteien.


Donnerstag, 28. September 2017 1:39
Abteilung: Kaputtalismus, Man schreit deutsh, The real pulse of Europe

9 Kommentare

  1. 1

    Ui, da hast du ja fast mehr gewettert als sonst. Kann es sein, daß dich diese Partei so erbost, weil du dich eigentlich als Sozialdemokraten siehst, in der SPD jedoch keine solchen mehr wahrnimmst? Das geht mir leider seit Jahren so. Ich habe mich auch schon gefragt, wie es sein kann, daß jemand wie Andrea Nahles als dem linken Flügel der Partei zugehörig erachtet wird.
    Die Reaktion der SPD-Granden auf die Schäuble-Nominierung läßt in der Tat nicht unbedingt auf einen festen Willen zur Erneuerung in der Opposition schließen.
    Bei der Personalie Martin Schulz bin ich noch nicht ganz sicher, ob man ihm nicht etwas Unrecht tut. Der kam wie Kay aus der Kiste (verzeih mir den plumpen Scherz) und wurde mit 100 Prozent Wahlergebnis als Messias inthronisiert, obwohl dort noch gar kein Thron stand. Daß die SPD einige Wochen lang im kollektiven Schulz-Rausch halluzinierte und sich schon im Kanzleramt wähnte, hat nicht er zu verantworten.
    In seiner Rolle als Europapolitiker habe ich einige Male starkes Profil bei ihm wahrgenommen. Das reichte womöglich nicht für bundesdeutsche Polit-Wirklichkeit. Im Wahlkampf kamen dann auch einige Kratzer und Dünnhäutigkeiten am Lack des Erlösers zum Vorschein. Mal schauen, wie sich das entwickelt. Zu Skepsis besteht leider Anlaß.

    Nein, ein Sozialdemokrat bin ich seit Jahrzehnten nicht mehr. Und andererseits ja: Ich komme aus einem Sozi-Haushalt, und was einen in der Jugend prägte, wird man im Leben nicht mehr los. – Deshalb habe ich die SPD mit dem HSV verglichen. Ich könnte auf beide bestens verzichten, doch so lange sie noch da sind, leide ich unter ihrer Peinlichkeit. KS

  2. Jean-Gert Nesselbosch
    Donnerstag, 28. September 2017 8:37
    2

    Danke, Herr Sokolowsky !
    Bitte hören Sie nicht auf, in Ihr Notizbuch zu schreiben.
    Freundliche Grüße,
    jgn

    Und Ihnen Dank für das freundliche Feedback! KS

  3. 3

    Das nennt man „in die Fresse“, sehr geehrte Frau N.!

    Tja: grober Klotz, grober Keil, usw. KS

  4. 4

    Danke für diesen Abschiedsbrief. Der reinste Lesegenuß.
    „Aber ab morgen kriegen sie in die Fresse.“ „Sie“, das ist die neue Bundesregierung.
    Im Nachhinein breitet sich bei derartigen Worten unter der SPD-Wählerschaft die Erkenntnis aus, daß es wohl effektiver gewesen wäre, Wladimir Klitschko als Kanzlerkandidaten zu nominieren.
    Nahles ist dermaßen beliebt, daß sie in ihrem eigenen Wahlkreis Ahrweiler als Ministerin nicht einmal das Direktmandat (27 %) holte. Das nahm ihr die Konkurrentin Mechthild Hell (43 %) von der CDU ab.

    Ah, was für eine wunderschöne Fußnote zu meinem Rant – seien Sie herzlich bedankt! KS

  5. 5

    Ich möchte mich aus tiefstem Herzen für diesen Beitrag bedanken. Habe ich doch mit 16 irgendwann mal unter SPD-Fahne meine ersten Auftritte hingelegt und Veranstaltungen bei der AWO mitgemacht, folgte kurz darauf, es war das erste Mal, daß ich wählen durfte, der größte Fehler meines Lebens: Ich wählte die SPD. Es war die Wahl, in der eigentlich Kohl abgewählt wurde. Daß dann Schröder kommen würde, und was genau das bedeuten würde, für mich, für dieses Land, für den verbliebenen Gedanken „Sozialdemokratie“, das wußte ich eigentlich gar nicht so genau. Und sollte bluten dafür. Wie so viele andere.
    In Retrospektive sieht selbst Kohl gegen Schröder und all seine Nachfolger aus wie ein großer Sozialist. Und wie Sie wissen, könnte ich hier über die Folgezeiten noch viel, viel mehr schreiben (habe ich an anderer Stelle auch bereits), aber dieser kleine Text hier hat mir doch den Dampfhammer von vorgestern versüßt. Was für ein Affront, ein Debakel, ein direkter Schlag ins Gesicht war die Wahl ausgerechnet von Nahles/ausgerechnet von Schäuble an diesem Tag. Was für ein Niederschlag wenn man, im Gegensatz zu den Parteigranden, verstanden hat, daß selbst die schlechten Ergebnisse gar nicht schlecht genug waren, sondern davon zeugten, daß immer noch viele mit Protest im Herzen deshalb die Etablierten wählen, obwohl sie von ihnen nichts als Demütigung zu erwarten haben. Weil sie noch glauben wollen an Demokratie (die ja an sich auch eine feine Sache ist) und nicht die Faschisten stärken wollten. Und so dankte man es ihnen nun (begleitet übrigens von einem FAZ-Artikel, der in den Etablierten-Wählern eine „Koalition der Zufriedenen“ sah. Es ist ein Drama in viel zu vielen Akten. Und es wird Zeit, daß die SPD in keinem weiteren mehr mitwirkt. Sozialdemokratische (und wenn es nach mir geht vor allem sozialliberale) Alternativen müssen her und gegen das Geschrei, zwanghaft bei den Etablierten zu bleiben, gestärkt werden. Danke jedenfalls für den Beitrag, der ein Hauch Parfum auf der Scheiße von vorgestern war.

    Liebe Susannah Winter, ich danke Ihnen für das Lob und Ihren klugen Kommentar! – Und weil ich mit großem Vergnügen in Ihrem Blog herumspaziert bin, erlaube ich mir, es meinen Lesern dringend zu empfehlen und einen Hinweis in der Blogroll des „Abfall“ zu plazieren. KS

  6. Albert Wiesengrund
    Montag, 2. Oktober 2017 8:00
    6

    Naja, weg müssense ja nich´ gleich, diese SPD-Sozi …€uropaformat reicht schon wie in F und NL zwischen 6 und 8 Prozent bei nationalen Wahlen tät auch reichen …

    Sie sind, pardon, ein Politsadist, Herr Wiesengrund. KS

  7. Stefan Zimmermann
    Samstag, 7. Oktober 2017 2:09
    7

    Herzlichen Dank, Herr Sokolowsky!
    Daß ich Ihnen mit meinem Selbstverständnis als linker Sozi und als (Noch-)Parteimitglied fast uneingeschränkt zustimmen kann, sollte mir meine wohl anstehende Austrittsentscheidung erleichtern; gewählt habe ich die SPD diesmal glücklicherweise nicht mehr. Wahrscheinlich hätte ich schon nach dem „Asylkompromiß“ von 1992/1993 die Flucht ergreifen sollen, aber irgendwie habe ich halt all die Jahre hindurch gehofft, es könnte noch mal was werden mit einer linken SPD. Mit der Witzfigur Nahles kann man das definitiv vergessen.
    Danke auch für Ihre Beiträge in „konkret“, die immer lesenswert sind.

    Lieber Herr Zimmermann, Ihr Kommentar rührt mich tief, und beim ersten Lesen dachte ich einige Sekunden lang, daß ich es mit meiner SPD-Beschimpfung übertrieb. Denn meine Polemik trifft ja auch gute Genossen wie Sie, Her Zimmermann; politisch aufgeklärte Menschen, die es echt nicht verdient haben, beschimpft zu werden. Ich habe durchaus Achtung für die letzten wahrhaft linken Sozis, für die Geduld und die Hoffnung, die Leute wie z. B. Sie trotz allem in den dunklen Jahren seit 1992/93 bewahrten. Als ein ums andere Mal enttäuschter, aber loyaler Gewerkschafter (dju/ver.di) kann ich halbwegs begreifen, wie Sie sich all die Zeit gefühlt haben.
    Ihr Kompliment zu meinen „Konkret“-Texten bedeutet mir übrigens nicht wenig. Dafür ein Tomayersches „Herzmerci“! KS

  8. Michael Werner Ehrenreich
    Samstag, 7. Oktober 2017 7:56
    8

    Merkwürdigerweise wird jetzt der doch schon im 62. ! Lebensjahr stehende Schulz allen Ernstes mit Willy Brandt verglichen, der „doch auch“ 2 Wahlen verloren habe, bevor er dann Kanzler wurde. Zur Erinnerung: 1961 war Brandt im 48. Lebensjahr (das ist wohl wieder dieser neuartige Schwachsinn von wegen „70 ist das neue 50“). Das fiel einem schon im US-Wahlkampf 2016 auf, als ich jedenfalls nirgends vernommen habe, daß sich da eigenartigerweise in der Endrunde 3 Leute um die 70 balgten, Sanders, der „Hoffnungsträger“ der sagen wir mal eher „Linken“ schon deutlich in den 70ern (!). But Age Does Matter, auch wenn es heute viele in einer doch etwas vergreisenden Gesellschaft wohl unfein finden, den Punkt anzusprechen. Aber man sieht dran gut, wie sehr die SPD am Arsch ist.

    Es ist freilich merkwürdig, daß sich die alten Leute um die Regierungsämter balgen und die Jungen, die zum Zuge kommen sollten, bloß Reklame für die Alten machen dürfen.
    Gucken Sie sich andererseits die Zombies an, die unter 50 sind und an die Macht geraten. Zum Beispiel Macron. Oder Lindner. Oder Jens Spahn. – Da kann man doch bloß sagen: der Jugend keine Chance! KS

  9. Ioanis Spiropoulos
    Sonntag, 8. Oktober 2017 1:41
    9

    Der letzte lebende Sozialdemokrat heißt Hans-Jochen Vogel.

    Das ist leider Quatsch. Vogel ist und war nichts als ein Apparatschik und hat zu Hartz IV parteisoldatisch und brav den Mund gehalten. – Der letzte gute Sozi heißt Rudolf Dreßler. DEN Mann will ich loben! KS

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