Der schreckliche Iwan (15): Ultima irratio

Vor drei Tagen widmete ich mich einem Pamphlet des MSC-Chefs Wolfgang Ischinger. Meine Vorhersage, daß der Ton, die Geschichtsfälschung und die Irrsinnslogik, die Ischinger vorgibt, umgehend den (bitte entschuldigen Sie das häßliche Wort:) Diskurs bestimmen werden, ist wie von selbst erfüllt worden. Die Propaganda der Poroschenko-Versteher redet von gar nichts anderem mehr als den „Defensivwaffen“, die Putin endlich Mores lehren sollen. Am lautesten schreien nach den Mord- und Totschlaginstrumenten wie immer seit ihrer Lobotomisierung durch Joseph Fischer die Grünen und alle, die ihnen nahestehen, also auch solche Spezis wie der Steffen Dobbert von der Zeit.

Unter dem Titel „Es braucht Waffen, um diesen Krieg zu beenden“ legte er heute ein beeindruckendes Zeugnis geistiger Verödung vor. Darin heißt es:

Tausende, vielleicht sogar 50.000 Menschen haben durch den Ukraine-Krieg bisher ihr Leben verloren, jeden Tag werden es mehr, und weitere Tausende flüchten gerade aus Angst vor dem Tod aus dem Donbass.

Daß die meisten von ihnen lieber in Putins Reich des Bösen Zuflucht suchen als in der furchtbar freien Westukraine, erwähnt Dobbert nicht, so wie es ihm keine Zeile wert ist, von dem Enthusiasmus zu schreiben, mit dem die ukrainische Armee Krankenhäuser und Wohnviertel in Schutt und Asche bombt.

Jeder erschossene Soldat, jedes von Panzern zerstörte Haus, jede einzelne Gräueltat war nur durch den Einsatz von Kriegswaffen möglich.

Wie wahr wäre das erst, würde Dobbert auch die abgeschlachteten Separatisten aufzählen! Aber in seiner Wahnwelt sind es ja sie, sie allein, die schießen, zerstören und gräueln. Jazeniuks Nazi-Freikorps dagegen verteidigen sich bloß. Wenn dabei die eine oder andere Hundertschaft Kinder, Frauen und Rentner in Stücke gesprengt wird – je nun, das ist der Preis der revolutiönaren Befreiung:

Die Ukraine ist ein eigenständiger, international anerkannter Staat, in dem das Gewaltmonopol beim Staat liegt. Das heißt, die Ukraine hat ein Recht, Waffen zu benutzen, um sich zu verteidigen.

Er meint die heutige Ukraine, wohlgemerkt, beherrscht von skrupellosen Neoliberalen, die beim Kampf gegen die Dissidenten im Donbass das Gewaltmonopol ohne Zögern an oligarchenfinanzierte Nazi-Trupps weiterreichen. Unter dem vergleichsweise friedfertigen Präsidenten Janukowytsch hingegen war das Anzünden von Regierungsgebäuden international anerkannt und Propagandisten wie Dobbert verkauften jeden Einsatz der Polizei gegen die Brandstifter als Menschheitsverbrechen.
Aber scheiß doch was auf die Stringenz, hier geht‘s um Höheres! Nämlich

um die Verteidigung von europäischen Werten, mitten in Europa.

Sollte Dobbert dies tatsächlich glauben, ist er sogar für einen Journalisten zu blöd. Glaubt er es jedoch nicht, darf man ihn immerhin für einen würdigen Repräsentanten jener europäischen Werte halten, die Randy Newman besungen hat: „The Great Nations of Europe / had gathered on the shore. / They‘d conquered what was behind them / and now they wanted more.“

Am deutlichsten präsentieren sich Ignoranz, Kasuistik und Einfalt Dobberts in diesem Satz:

Manchmal braucht es Waffen, um die Waffen zum Schweigen zu bringen, so war es im Kosovo (…)

Ach, deshalb bombardierte die Nato 1999 mit ihren Defensivwaffen Belgrad, 200 Kilometer vom Kosovo entfernt! Und ließ es krachen, bis dort neben vielen anderen Zivilisten auch neun Angestellte des serbischen Fernsehens für immer schwiegen.

Waffennarr Dobbert möge sich zügig ein Beispiel an den Kollegen nehmen. Geschwätzt hat er schon viel zuviel, jetzt sollte er handeln, es juckt ihn doch! Die Jazeniuk-Junta kann Freiwillige für die Front dringend gebrauchen. Und wer Kanonen für so segensreich hält wie Steffen Dobbert, der darf nicht zögern, sie zu füttern.

Nachtrag: Falls Sie auf eine Solidaritätsadresse Dobberts oder irgendeines unserer Meinungsvormacher für Ruslan Kuzuba, den willkürlich eingekerkerten ukrainischen Journalisten, warten … Ich geb‘ mal‘n Tipp: Der Halleysche Komet kommt früher.


Dienstag, 10. Februar 2015 23:15
Abteilung: Der schreckliche Iwan, Kaputtalismus, Qualitätsjournalismus

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