53 Jahre in 24 Reimen

53-Jahre_01_(c)_Kay_Sokolowsky

I
Hab ich genug hinabgespült,
bescheiß ich mich recht fleißig.
Ich bin so alt, wie man sich fühlt,
und trinke wie mit Dreißig.

II
Ich bin jetzt in den besten Jahren.
So heißt das unter alten Männern,
die nicht mehr sind, was sie mal waren.
Vergeßlichkeit macht sie zu Kennern.

III
Ihr nennt es Alter. Ich nenn‘s Reife
und finde noch ganz andre Namen.
Was ich freilich nicht begreife:
Wer pflückt die Frucht? Wer pflanzt den Samen?

IV
Manchmal liegt mir auf der Zunge,
was das sei, der Lebenssinn.
Manchmal wär ich gern der Junge,
der ich nie gewesen bin.

V
Worauf ich hoffe, seit ich denke,
ich werde es versäumen:
Daß ich ein Schiff durchs Weltall lenke,
bleibt Traum in meinen Träumen.

VI
Es häufen sich die Déjà-vus,
die Nieser der Erinnerung.
Und meistens sind sie richtig mies:
Ich glaub dann nämlich, ich wär jung.

VII
Früher wollt ich nichts verpassen,
alles lesen, wissen, sehn!
Heute bin ich fast gelassen
und schon froh, was zu verstehn.

VIII
Erzähl mir nichts vom Zahn der Zeit,
er zwickt mich jeden Morgen.
Die Bisse der Vergangenheit
sind meiner Zukunft Sorgen.

IX
Läßt der Sommer mich kalt,
will kein Essen mehr schmecken:
Erst dann bin ich alt,
kann das Leben mich lecken.

X
Ich habe beaucoup begehrt,
un poco davon besessen.
Ich fühl mich a weng ausgezehrt,
von much too many Intressen.

XI
Freunde zu haben – der schönste Gewinn.
Sie sterben zu sehn – ein Schuß in die Brust.
Tote zu lieben – hat keinen Sinn.
Sie zu vergessen – ist Seelenverlust.

XII
Für Weisheit bin ich viel zu schlau,
zu klug, sie zu erstreben.
Nur eines weiß ich ganz genau:
Du sollst nicht einsam leben.

53-Jahre_02_(c)_Kay_Sokolowsky


Freitag, 29. Juli 2016 23:38
Abteilung: Lieder ohne Werte, Selbstbespiegelung

5 Kommentare

  1. 1

    Wenn ich das richtig verstehe, darf man zum Geburtstag gratulieren: Herzlichen Glückwunsch!

    Gut deduziert! Und vielen Dank, lieber Thomas Küster! (Ich hatte allerdings schon am 24. meinen 53., wie der Titel etwas plump andeutet.) KS

  2. 2

    Lieber Kay Sokolowsky, meinen herzlichsten Glückwunsch! Als Geburtstagsgeschenk(e) hätte ich folgendes: Die TV-Serie „Lucifer“ mit Tom Ellis. Die ist angelehnt an die „Lucifer“-Comics von Mike Carey, also letztlich an die Figur in „Sandman“. Natürlich nicht so abgefahren und amüsant wie die Comix, aber Neil-Gaiman-Fans freuen sich über die eine oder andere gelungene Reminiszenz an die teuflischen alten Zeiten.
    Zum Hören, Freuen und Hoffen: Manu Chao, EZLN. Zum Relaxen: MF Doom, „Doomsday“ und zum Jehirndurchpusten: Norbert Trenkle, „Die große Entwertung“. Ich hoffe, Sie haben nicht schon alles! Beste Grüße, Hannes Geigl

    Lieber Hannes Geigl, vielen Dank für Ihren Glückwunsch – und Dank auch für diese Clips! Die ich alle noch nicht kannte. Mit dem Trenkle kann ich leider nicht so viel anfangen. Aber bei Manu Chao, tja – da hab ich vor lauter Sympathie angefangen zu weinen. Und so was tut immer gut. Nochmals: danke! KS

  3. 3

    Kopf hoch, Meister Sokolowsky! Ist alles nicht so schlimm! Wir sind im besten George-Clooney-Alter!

    Und Mozart war in unserem Alter schon 18 Jahre tot, ich weiß, ich weiß. KS

  4. 4

    Da ich diesen Beitrag übersehen hatte, kann ich mich erst heute den Glückwünschen von ganzem Herzen anschließen.
    Vor allem zu diesen sehr gelungenen Versen. Wenn man Nummer IX entfernt oder verbessert, hat es einen Platz im Kanon der deutschen Dichtung. Da nich für. 🙂

    Lieber Andreas Schmid, für die Glückwunsche danke ich sehr, für das gewaltige Kompliment sogar noch mehr! Die IX ist in der Tat etwas platt, aber ich krieg’s nicht besser hin. Vielleicht muß ich es nächstes Jahr noch mal versuchen. Ist doch mal ein Plan für den 54sten!KS

  5. 5

    „…denn bin ich erst alt,
    kann das Leben mich lecken…“ ???
    Herzlichste Glückwünsche!

    Lieber Karsten Wollny, herzlichen Dank!
    Und danke auch für den Vorschlag. Leider würde diese Version gar nicht zur Intention des Zyklus passen, auch wenn das Metrum hinhaut. Ich möchte mich aber nicht damit blamieren, meine Vierzeiler zu interpretieren. Vielleicht könnte das ein Leser übernehmen? Sie vielleicht, Andreas Schmid? Bitte! KS

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