Aphone Aphorismen (5): Nichts wie weg

Menschenleere Wege sind in der Großstadt am Tag so rar, daß der Flaneur sich nicht recht entscheiden mag, ob er sie benutzen möchte. Einerseits lockt die Aussicht, abseits des üblichen Gewimmels zu wandern und sich dabei ein bißchen wie Marco Polo zu fühlen. Die Propaganda des Boulevards hat andererseits eingeschärft, überall Gewalt zu fürchten. Nicht daß man sich von dergleichen bange machen ließe. Eher schreckt die Vorstellung, drauflos zu laufen und auf halber Strecke Artgenossen zu begegnen, die die Illusion eines Abenteuers zerstören. So bleibt dem Einwohner der Metropole, der was erleben will, bloß die Wahl zwischen zwei Arten der Enttäuschung: Der, die ihm seine Skepsis vorab verschafft, und jener, die ihm die Mitbürger etwas später antun werden. Vielleicht wirken Spaziergänger am Sonntag in ihren Jack-Wolfskin-Jacken deshalb noch verdrossener als unter der Woche auf dem Weg zur Arbeit. Eine Zivilisation ohne Zivilisation: die Utopie schlechthin.

Nachschrift. Bei näherer Betrachtung zeigt sich, warum hier niemand gehen möchte: Die Regengüsse der vergangenen Tage haben den Pfad knöcheltief aufgeschwemmt. So weit, durch Matsch zu latschen, reicht die Abenteuerlust dann doch nicht. Außerdem muß ich zur Apotheke.

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