Buchmesse, oder: Das Lachen der Verdammten
Die Lage der Verlage, zumal der kleinen, ist kein Grund zur Heiterkeit. Sie läßt sich mit allem Rotwein, der zur Zeit hektoliterweise wider den Messestreß in Frankfurt runtergeschluckt wird, nicht lustig saufen. Wie es sich anhört, wenn z.iB. die Erbchefin des wackeren Merlin-Verlags, die „Gifkendorfer Zauberin“ (FAZ) Katharina E. Meyer, trotz allem ein Lachen versucht, konnte ich vorgestern in der geschätzten „Redezeit“ auf NDRiInfo hören, und ich gebe zu, daß mir dabei beklommen ward. Doch hören Sie selbst:
Da kommt die ausgelutschte Phrase vom „gekünstelten Lachen“ auf eine Weise zur Wirklichkeit, die sich in Ohr und Gemüt nachgerade hineinzaubert. „One more time!“ (Count Basie):
Frau Meyer aber wünsche ich, daß sie sich die gute Laune auch weiterhin nicht anmerken läßt. Damit endlich mal dem Leserdummkopf da draußen klar wird, wie verzweifelt es um die kleinen Verlage steht, seit er, der Dummkopf, sein Geld ausschließlich zu Amazon trägt und im übrigen alles gratis abgreift, was mehr oder weniger legal im Netz hängt. „Let‘s try it one more once!“ (ders.):
Es ist echt zum Fürchten.
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Photo: „RFID-Chip an Cellex-Abfallbehaelter 2013 13”,
by Hundehalter (Own work) [CC BY-SA 3.0] ,
via Wikimedia Commons
Samstag, 22. Oktober 2016 20:21
Der Dummkopf da draußen hat schon Schillers „Horen“, Lichtenbergs und Forsters „Göttingisches Magazin“, „Die Fackel“ und unzählige andere wackere Unternehmungen ignoriert. „Was ist Mehrheit? Die Mehrheit ist der Unsinn! Verstand ist stets bei wen´gen nur gewesen“, wußte Schiller. Evolution braucht halt Weile.
Kleinverlage sind klein, weil sie ein kleines Publikum haben. Selbst jede Menge Geld würde ihnen nicht mehr Leser kaufen. Es sei denn, sie verlegen den Unsinn für die Mehrheit.
Amazon ist übrigens ein Vertrieb und kein Verlag (noch nicht). Die vertreiben auch unsere Kleinstauflagen und sind eher der Untergang des kleinen Buchhändlers. Auch schlimm, auch nicht zu ändern.
Als Kleinverlag hat man günstigenfalls Charakter. Man hat Umgang mit klugen, armen Autoren und arbeitet für kluge Leser. Man pflegt noch Überflüssigkeiten wie einen harmonischen Satzspiegel, lesefreundliche Typografie und ein aufmerksames Lektorat. Das ist der Lohn. Wenn man davon leben kann, umso besser.
In der DDR hatte man übrigens als Schriftsteller, wenn man es schaffte Verbandsmitglied zu werden, ein Auskommen durch den Verband, unabhängig vom Erfolg. Das war gut für die Autoren, ob es gut war für die Leser, muß im Einzelfall entschieden werden. Zumindest schrieben die Autoren nicht um ihr Leben und viele sich nicht einmal um den Verstand.
D’asccord mit jedem Satz außer dem über Amazon: Als Book-on-demand-Publisher ist Amazon durchaus ein Verlag, und als weltmächtigster Vertrieb nimmt Amazon massiv Einfluß auf die Programme der Verlage. Und was den Untergang des kleinen Buchhändlers betrifft – wo, wenn nicht bei dem, haben kleine Verlage eine Möglichkeit, ihre Bücher auszulegen? Die immer schon magere Geschäftsgrundlage kleiner Verlage (und Buchhändler) wird vollends aufgefressen, wenn sogar die Leser, die keine Dummbeutel sind, Amazon bloß für einen Vertrieb neben anderen Vertrieben halten. (Fast hätte ich geschrieben: „Vertriebenen“). KS
Samstag, 22. Oktober 2016 22:26
Es liegt mir fern, mein Schwert für Amazon zu schwingen. Aber auch dieser Stock hat zwei Enden. Die Auslage kleiner tapferer Buchläden, der Herr erhalte sie, engt den Käuferkreis nicht nur sozial, sondern auch geographisch ein. Kleinverlage haben unter anderem über Amazon die Möglichkeit, Bücher weltweit sichtbar zu machen. Das VLB ist dem nicht registrierten Literaturfreund nicht zugänglich, die Seiten von Thalia, Bol, Bücher und Amazon sind es aber schon. Die Dame in dem kleinen Buchladen, den ich frequentiere, schaut übrigens aus Bequemlichkeit oft zuerst bei Amazon, ob ein Buch verfügbar ist, bevor sie es beim Grosso bestellt.
Da haben Sie das ganze Elend des spätestkapitalistischen Buchhandels aber sehr schön auf eine Anekdote gebracht! Und mir fällt nichts mehr, gar nichts ein, um Ihnen zu widersprechen. KS
Sonntag, 23. Oktober 2016 0:49
@ Andreas Schmid (weil ich es wirklich nicht weiß):
Ich erinnere mich an einen Text über Buchpreiskalkulation, den ich mal im Netz gefunden hatte, in dem von üblichen 35 % „Buchhandelsrabatt“ die Rede war, wobei Amazon deutlich höhere Rabatte verlangen würde.
Spielt das für Kleinverlage keine Rolle?
Wüßte ich auch gern. KS