Archiv für die Abteilung 'Undichte Denker'

Sie nennen es Lobotomie

Samstag, 7. Juli 2012 19:40

Sascha Lobo (Symbolbild)

Von nichts eine Ahnung zu haben, aber davon eine Menge – das ist, seit es ihn gibt, das Markenzeichen des Leitartikelschreibers. Als der Unfug begann, hat der Verleger selbst eine Meinung hinterlassen, die man sich denken kann, ohne sie lesen zu müssen. Dann wurde das Geldverdienen zu zeitraubend fürs Moraltrompeten und an die Stelle des Druckmaschi-
nenbesitzers trat der Chef-
redakteur. Weil der aber mittlerweile wie alle leitenden Angestellten die Zeit in infiniten Konferenzen verbringt, delegiert er die Besinnungstexte an Kräfte seines Vertrauens, und die sind entsprechend autonom in Haltung und Ansicht.

   Bei „Spiegel online“, wo man Nachrichten von Kommentaren kaum noch unterscheiden kann, ist die Demonstration der Gesinnung, die der Leser sowieso hat, zeitgemäß „outgesourced“ worden. Als Gegengewicht gleichsam zum brachialen Neoliberalismus der Redaktion dürfen sechs sieben Autoren im Wechsel die Rubrik „S.P.O.N – Die Kolumnisten“ volltexten. Sie sind dabei nie so rechts (Jan Fleischhauer) oder „im Zweifel links“ (Jakob Augstein), daß es die Geschäftsgrundlagen erschüttern könnte. Immerhin haben sie den Dreh heraus, mit irgendeiner Pseudo-
provokation die Leserhammel gegen den Zaun zu treiben. Das nennt sich dann Pluralismus der Meinungen und ist doch bloß die jämmerliche Travestie einer Debatte. Aber man darf nicht zuviel erwarten von einem News-Portal, das seine Nachrichten mit Schlagzeilen wie diesen versieht: „Italien fürchtet Montis neue Giftliste“, „Und es hat bumm gemacht“, oder „Keine Macht dem Kalorien-Quickie“.

Weiterlesen

Abteilung: Kaputtalismus, Undichte Denker | Kommentare (0) | Autor:

Man schreit deutsh (7): Der Partyotismus und der Patridiot

Freitag, 29. Juni 2012 16:11

Ulf Poschardt, Schirmherr des Borderline-Journalismus, Redaktions-
abwickler und Geschmacksbürger, neulich, am vormaligen Tag der deutschen Einheit (wann auch sonst?) in „Welt online“:

„Die Deutschen haben mit der Enttabuisierung der Nationalfarben und der Hymne weniger ein nationales Bedürfnis entwickelt, sondern ein internationales.“

   Wuppertal am 28. Juni 2012, kurz nach Abpfiff: 800 deutsche greifen einen Auto-Corso von italienischen Fans an. Die Polizei setzt Pfefferspray ein, Straßen müssen gesperrt werden. Ein Polizist und dreizehn Fans werden verletzt. Wenig später zeigen italienische Fans eine riesige Flagge, die ihnen aufgebrachte Deutsche entreißen wollen. Im gesamten Innen-
stadtbereich kommt es immer wieder zu Rangeleien und kleineren Schlägereien. Anhänger der Squadra azzurra werden mit Spaghetti beworfen, 27 Randalierer vorläufig festgenommen.

Weiterlesen

Abteilung: Man schreit deutsh, Undichte Denker | Kommentare (3) | Autor: