Der schreckliche Iwan (4): Es wirkt bizarr

Schwarzweißdenken im DSCHUNGEL (Sympholboto)

Nein, die folgenden Kursivsequenzen stammen nicht aus der Welt. (Die sich neulich nicht zu blöd war, das widerwärtige Mord- und Brandgeifern der sauberen Frau Timoschenko mit Hinweis auf die Verschlagenheit des Putin-Russen zu relativieren: „Das Gespräch wird jetzt ohne Zweifel von russischen Medien genutzt, um unter den Russen in der Ukraine Stimmung gegen Timoschenko und die neue Regierung in Kiew zu machen.“)

Die folgenden Zitate stehen vielmehr in einer Wochenzeitung, die sich selber eine „linke“ nennt, obwohl einigen ihrer Autoren und Redakteure dies eher peinlich sein dürfte. Kenner der Melodie werden den Verfasser schnell erraten, alle anderen dürfen sich über eine ordentliche Ladung übler Nachrede freuen, die genauso auch von Elmar Brok, Marieluise Beck oder Sigmar Gabriel stammen könnte:

[Bei] Sahra Wagenknecht zum Beispiel hört sich das ganz anders an. Sie läuft gerade zu Hochform auf, als Sprechpuppe Putins. Als hätte sie selbst einen Sack Atomraketen im Garten, drohte sie mit einem „Dritten Weltkrieg“, sollte sich die Nato einmischen. Das Krim-Referendum müsse anerkannt, die Abspaltung von der Ukraine hingenommen werden. Die neue Regierung in Kiew sei auf illegale Weise zustande gekommen und die russischen Sorgen wegen einer westlich orientierten Regierung in der Ukraine seien verständlich. Westliche Staaten und die USA hätten „jedes Recht verwirkt, Völkerrechtsbrüche zu kritisieren, weil sie so viele begangen haben“. Dieses Argument hört man dieser Tage häufig. Es ist das mit Abstand absurdeste.

Mithin absurder sogar als das Argument, eine Politikerin sei eine „Sprechpuppe Putins“, bloß weil sie beim antirussischen Gekeife der politischen Gegner nicht mittun will. Die vielen wider Putin gerichteten Worte Wagenknechts unterschlägt der Autor mühelos, obwohl sie leicht zu finden sind, etwa auf der Website von n-tv: „Natürlich muss man die russische Politik kritisieren. Putin ist ganz sicher kein Linker.“ Doch solche, sagen wir mal: Ignoranz, paßt ganz gut zu der Verleumdung, Wagenknecht habe mit der atomaren Apokalypse gedroht, wo sie in Wahrheit davor warnte. Im nicht besonders komplexen Hirn dieses Hinschreibers wird, geht es gegen Linke, alles eine Sauce.

So wichtig es ist, mit aller Schärfe die weit verbreitete Verharmlosung des Einflusses rechtsextremer Gruppen auf die neue ukrainische Regierung zu kritisieren, so wenig erschließt sich, weshalb dies die Annexion der Halbinsel Krim rechtfertigen, ja worin überhaupt der Zusammenhang bestehen soll. Wenn man der Meinung ist, dass in Kiew Faschisten an der Macht seien und dagegen militärisch vorgegangen werden sollte, dann müsste man konsequenterweise fordern, dass die Rote Armee, pardon, die russischen Streitkräfte die ganze Ukraine befreien.

Mal die Grausamkeiten beiseite gelassen, die der Autor dem Konjunktiv und „konsequenterweise“ der deutschen Sprache antut –: Den Zusammenhang haben die Leute auf der Krim hergestellt, die sich zu 93 Prozent für russische Reisepässe entschieden haben und bis heute keine Anstalten machen, sich gegen die Rote Armee, pardon, die russischen Streitkräfte zu wehren, die sie vor Swoboda-Nazis, pardon, „rechtsextremen Gruppen“ beschützen. Vermutlich achten jene 93 Prozent weniger auf die „Verharmlosung des Einflusses rechtsextremer Gruppen“ als auf den Einfluß selbst. Und vor dem dürften sie unter Putin sicherer sein als unter der neuen ukrainischen, pardon, Regierung.

Es wirkt bizarr, dass ausgerechnet Putin zum globalen Antifaschisten verklärt wird.

Und wirkte tatsächlich bizarr, hätte der Verfasser nur einen, einen einzigen, gleich wie dürren Beleg dafür, wer von den Kritikern der antirussischen Hetzerei und Heuchelei so was Bescheuertes tut. Aber wozu sich mit einem Kleinscheiß wie Beweisen aufhalten, wenn man in Erfinderlaune ist und dem Putin Verbrechen unterstellen will, für welche ihn nicht mal Chodorkowski oder Pussy Riot verantwortlich machen möchten:

Putin hält seine schützende Hand über das iranische Regime und über Syriens Diktator Bashar al-Assad, ja man kann sogar spekulieren, dass der gesamte Bürgerkrieg in Syrien mit seinen verheerenden humanitären und politischen Folgen ohne Putins Unterstützung Assads gar nicht stattgefunden hätte.

Und Sie, liebe Leserin, lieber Leser, können jetzt spekulieren, warum dieser Text nicht von Springers Welt veröffentlicht wurde, sondern in der Jungle World vom 20. März prangt. Oder weshalb dieser Ivo Bozic, der sonst nie müde wird, vor den Islamisten als den Nazis des 21. Jahrhunderts zu warnen, sich im polemischen Eifer auf deren Seite gegen Assad schlägt und lieber einer Meinung mit der deutschen Regierung und Rebecca Harms ist als mit der Friedensbewegung und Sahra Wagenknecht.

Aber was soll das Spekulieren: Bozic war stets ein Schreiber, dem jede Verdrehung, jedes verbogene Zitat und jede Erfindung recht ist, um die Linke an sich zu denunzieren. Denn die markiert für ihn den Hauptfeind, weit über Putin, Assad und das Kapital hinaus. Er wäre bei Springers Kampfblatt wirklich gut aufgehoben.

Ach, das weiß er selbst? Und hat für die Welt am Sonntag was geschrieben, nämlich eine Reportage über die Katzenplage in deutschen Städten? – Da sollte eine Artikelserie über die Pest mit den Putin-Pussies (oder solchen, die Bozic frei Schnauze dazu ernennt) ihm doch wie geschmiert von der Hand gehen!

Bild: Walther Dobbertin: Urwald im Ulugurugebirge /
Das Bundesarchiv – Wikimedia commons

 


Donnerstag, 27. März 2014 1:29
Abteilung: Der schreckliche Iwan, Kaputtalismus, Man schreit deutsh

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