Schniefenpsychologie

Eisrotz_(c)_Kay_SokolowskyIn Dan Simmons‘ prächtigem Abenteuerschauerhistorien-
schmöker Terror hat eine eher beschauliche Szene mich besonders, gleichsam synästhetisch beeindruckt. Denn ich las sie das erste Mal, als ich genauso fies verschnupft war wie dieser Tage. Die Passage beschrieb und beschreibt die Verstopfung meines Kopfes, den Geschmack in meinem Mund, das Geklump in meinem Hals und den Glitsch in meiner Nase besser, als ich es selber könnte.

Zur Vorgeschichte: Der britische Marineleutnant John Irving hat eine junge Eskimofrau kennengelernt. Sie spendiert ihm aus Gastfreundschaft einen ordentlichen Streifen Robbenspeck; und der halbverhungerte, mit seinen Kameraden seit Monaten im arktischen Packeis gefangene Seemann greift nicht bloß aus Höflichkeit zu.

Es schmeckte wie ein seit zehn Wochen toter Karpfen, der unter den Abwasserrohren von Woolwich aus dem Schlamm der Themse gegraben worden war. Irving hatte das dringende Bedürfnis, sich zu übergeben, und setzte bereits an, den Bissen halb zerkauten Specks auf den Boden des Schneehauses zu spucken. (…)
Zu seinem Entsetzen sah er, daß die Eskimofrau andeutete, er möge noch mehr von dem köstlichen Speck verzehren.
Immer noch lächelnd schnitt er sich ein Stück ab und schluckte es hinunter. So mußte es sich anfühlen, wenn man sich einen riesigen Klumpen Nasenschleim eines anderen Geschöpfs in den Mund steckte.

Und nun wissen Sie, wie‘s mir derzeit geht. Ich bin mir selbst mein anderes Geschöpf.

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