Wie es sich im Writersblock wohnt

Schreibblockaden sind keineswegs einem Mangel an Themen oder einem Unterschuß an Ideen geschuldet. Im Gegenteil: Die Blockierer bauen, was mich betrifft, ihre Mauern erst dann, wenn zu viele Motive, viel zu viele Gedanken sich aufdrängen und der Autor daran verzweifelt, der Invasion Herr zu werden. Wenn ihn die Angst quält, der Sache in der, in seiner Sprache nicht gewachsen zu sein. Wenn das wenige, was er auf seiner Seite hat, die Wörter, die Lettern, ihm zu leise erscheint, zu blaß, verglichen mit den Bildern und Begebenheiten, den Gerüchten und Geräuschen, welche ihn von allen anderen Seiten bedrängen.

Und während der Wortklauber die Worte nicht mehr findet, weil er den Wörtern an sich nicht mehr traut, seinen Stil und seine Formen mißt und sie für zu leicht, zu dünn, zu fad befindet, wuchert das, was er bewältigen will, immer weiter und höher und dichter, über alles Maß. Die einzige Lösung des Problems, das Schreiben, erscheint mehr und mehr wie das größte Problem, wie eine Selbsttäuschung, die überhaupt erst dazu führte, daß der Autor sich mit Dingen befaßt, die er nicht packt. Und nimmer packen kann.

Das ist eine Falle, aus welcher der Gefangene so schlecht entkommt wie der Grizzly aus dem Bäreneisen: je stärker der Widerstand, desto schärfer der Zwang. Die einzige Rettung ist die Fessel selbst. Unentrinnbar, zermürbend, deprimierend, beängstigend: Die Schreibblockade läßt keinen Ausweg. Sie hat aber ein pausenlos geöffnetes Entrée. Aus dem Writersblock zu entkommen, wird um so unmöglicher, je gewaltsamer der Gefangene es versucht. Auf die alte Frustration setzt sich eine neue, und beide verstärken einander; et cetera.

Ich kann Ihnen versichern: Kein Thema ist unter uns Autoren rigider tabuisiert als das Hausen im Writersblock. Hilfe von den Kollegen kommt nicht, weil die Kollegen sich in solchen Fällen lieber verkrümeln (was ich sehr gut verstehe, weil ich mich auch schon verkrümelte). Es ist, als hätte der Blockierte etwas Ansteckendes, als könnte seine Schwäche übergreifen wie die Pocken. Die Kollegen* können sowieso nicht recht helfen, denn in die Schreibblockade gerät der Autor höchst eigen, und weil Autoren auf ihr Ego mehr achthaben als auf die Grammatik, verraten sie ungern, woran die Impotenz liegt.

Und nun? Habe ich etliche Wörter verbraucht, um zu erzählen, daß ich die Wörter nicht mag; und ich habe allerlei Metaphern bemüht, um meine Ohnmacht vor den Bildern zu erklären. Habe mit den Worten gespielt, während ich beklagte, daß mein Spieltrieb erloschen sei. Ich habe einen Text geschrieben, der eine gewisse Textur hat. Das sind doch Gründe zum Optimismus. Ja?!

Jein. Der Block bleibt; als Drohung oder Mahnung. Du entrinnst ihm nie mehr, so du ihn mal bewohnt hast. Sein Schatten liegt stets auf Scheitel und Schultern. Je älter du wirst, desto schwerer. – Es gibt keine Flucht aus dem Writersblock. Es gibt nur die forcierte Ignoranz der Blockade. Die Autosuggestion, trotz allem, trotz diesen „abortschüsselhaften“ (Ror Wolf) Weltverhältnissen etwas zu sagen zu haben, das mehr ist als irgendwas.

Also – irgendwie bin ich wieder da. Irgendwo geht‘s wieder hin. Immerhin geht wieder was.  ach … abermals herzlichen Dank, lieber Leser, geschätzte Leserin, für Ihre Geduld mit mir!
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* Alle Kollegen? Nein. Einen kenne ich, der den Mumm besitzt, mit mir über die Blockade zu reden. Weet de düwel, was ohne diesen großartigen Kerl aus mir würde. Womöglich ein Qualitätsjournalist.


Donnerstag, 19. Juli 2018 22:38
Abteilung: Inside "Abfall", Selbstbespiegelung

7 Kommentare

  1. 1

    Hm … there is no such thing as (hier Dinge eintragen wie „Writersblock“, „Blogblues“ oder etwas profan Deutsches).
    Es ist eigentlich unmöglich, einen 400-kg-Bambus auszugraben. Es sei denn, man nimmt alles, was man hat, probiert dies und jenes, wissend, daß das alles nicht taugt, und ist doch viele Wochen später kurz vor dem Erfolg (weiter kann ich nicht berichten, ich beratschlage mich derzeit mit Sisyphos und und Achilles. Von Letzterem kann ich immerhin sagen, daß er mathematisch mit perfektem Timing asymptotisch langsamer wird).
    Schreibt man halt und löscht, wirft weg, wirft weg, ohne zu schreiben. Das Problem, daß Kritik immer die Gefahr birgt, mit ihren Objekten zu degenerieren, ist auf jedem Dekadenzniveau dasselbe. Im Endstadium steht man mit dem Schild „Chronist“ in der Landschaft. Da draußen sind Leute, die auch wohlformulierte Sprachlosigkeit trösten kann. Ich bin bis hierher schon mal dankbar und hebe ein Glas zum Gruße.

    Prost auch Ihnen! KS

  2. 2

    Schreibblockade oder „nur“ Prokastination (Aufschieberitis)? „Mit dem Aufschub ist also Vorsicht geboten. Wann die Politik die Farbe wechselt, kann man nicht wissen, aber man sollte immer abreisefertig sein!“;-)
    Als ehemaliger Gastautor bei diversen Bloggern kenne ich das Problem. Man hat eine Idee, ein Thema, ist fokussiert auf ein aktuelles gesellschaftliches Geschehen, aber die Sprache ist holperig, die Syntax gebrochen, und dazu kommen die Selbstzweifel. Aber die Erfahrung lehrt, daß der Moment, in dem sich die Lust am Schreiben und die originellen, kreativen Formulierungen plötzlich ungezügelt ihre Bahn brechen, nicht allzu lange auf sich warten läßt.
    Falls Du es noch nicht gelesen haben solltest, hier in den ersten beiden Absätzen eine Replik, die ich uneingeschränkt teile:
    http://feynsinn.org/index.php?s=Underdog&submit=Suchen

    Für diese beiden Absätze, auf die du verweist, möchte ich mich seit Monaten bedanken. Aber sie sind derart liebenswürdig und wohltuend, daß mir immer noch nicht einfallen will, wie ich angemessen kontern kann. Aber, Himmel!, gut tut’s schon und sehr. KS

  3. 3

    Die Qual der Blockade, der erzwungenen Pause kann man hier gut nachempfinden. Und dennoch, vielleicht war der Spieltrieb gar nicht erloschen, vielleicht fehlte ihm nur die Lust, mit Worten zu spielen. Das Kindlich-Spielerische braucht die Abwechslung – genau wie die Lust. Da kamen die (WM) Spiele doch gerade zur rechten Zeit. Schön, daß Sie wieder da sind!

    Und ebenso schön, daß auch SIE noch da sind! KS

  4. 4

    Haben Sie gelegentlich das Gefühl, daß Ihnen die Fähigkeit, über irgendetwas zusammenhängend zu denken oder zu sprechen, abhanden gekommen ist? Kommt es Ihnen vor, als zerfielen Ihnen die Worte im Mund wie modrige Pilze? Dann könnte es sein, daß Sie an der Lord-Chandos-Krankheit leiden. Aber glücklicherweise sind Sie ja schon dabei, sich selbst zu kurieren, denn gegen dieses Leiden hilft tatsächlich nur regelmäßiges Schreiben.

    Das mit Lord Chandos muß ich mal in Ruhe überprüfen; danke für den Hinweis! KS

  5. 5

    Geit mi ook so van Tied to Tied. Un je oller ik woor, umso mehr leggt sük de Düwel in´t Padd. Gifft keen Drüppen of Pillen Medikament daartegen, wat alltied helpt. Een Fründ swört hierup: „First drafts don’t have to be perfect, they just have to be written.“ Mit anner Woorden: Hang dien Prinzipien so hoch, dat du kommood drunner dörloopen kannst.

    Tja. Genau das kann ich aber nicht, weil ich nur aus Prinzip schreiben möchte. KS

  6. Stefan Zimmermann
    Montag, 23. Juli 2018 22:56
    6

    Was Sie zu sagen haben, ist immer mehr als irgendwas. Keine Autosuggestion, ich beglaubige das.

    Für dieses große Lob danke ich Ihnen von Herzen und beglückt. KS

  7. Fluchtwagenfahrer
    Dienstag, 24. Juli 2018 6:53
    7

    Moin,
    ich denke, das Zauberwort ist Fokussierung.
    Wenn ich schrieb, zumeist im tieftraurigen Zustand, dann half hier der Alkohol. In dem Maße, in dem ich ihn einfüllte, floß es aus der Feder heraus. Scheixx war nur, daß ich am nächsten Tage, wenn der Sturm erst mal abgeflaut war, das Geschreibsel kaum noch entziffern konnte. Weil Sauklaue und besoffen (auch vom Schmerz) geht nicht überein.
    Aber was weiß ich alter Borderliner schon.

    Daß Besoffenheit und gutes Schreiben nur bei irischen Autoren zusammengehen (und nicht mal bei denen), ist ja schon länger bekannt. – Sich auf eine Sache, und nur auf diese eine, zu konzentrieren: Das ist freilich eine Bedingung für gelungene Texte, da haben Sie recht. KS

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