Zeuge der Geschichte (3)


Als ich vom Ableben Muhammad Alis erfuhr, wollte ich dem Tod einen Jab inidie Rippen, einen Uppercut ans Kinn und eine rechte Gerade in die Visage verpassen.


Samstag, 4. Juni 2016 23:45
Abteilung: Zeuge der Geschichte

6 Kommentare

  1. 1

    Der Mann war ein ganz Großer, auch und gerade außerhalb des Rings. Abgesehen davon find ich Boxen saublöd; es sei denn, die Richtigen kriegen auf die Fresse. Insofern ist es wirklich verdammt schade, daß Ali und die unsäglichen Klitschko-Geschwister mehr als eine Generation auseinander waren … Ich hätt’s zu gern gesehn!

    Lieber Kai, ich muß Dir leider heftig widersprechen: Der Größte war der Größte vor allem als BOXER. Wer diesen Sport nicht mag, sollte sich hüten, Muhammad Ali zu mögen. Seine Kunst war die des Halbtotprügelns; alles andere ist nur Beiwerk. Allerdings ein rühmliches Beiwerk! (Die Klitschkos hätten gegen Ali – in seinen guten Tagen – sehr abgestunken.) KS

  2. 2

    Sicher doch war Muhammad Ali vor allem als Boxer der Größte! Aber ohne das andere – und ich halte das andere für mehr als nur Beiwerk, von seiner Wehrdienstverweigerung in Vietnamkriegszeiten bis zur Entscheidung, seinen „Sklavennamen“ abzulegen und dem Verein des zornigen Malcolm X beizutreten statt etwa in der Holy Church of Our Gracious Uncle Tom erbaulichen Chorälen vom süßen Jesus zu lauschen – wäre der Mann eben nicht mehr gewesen als der seinerzeit größte Blutergußproduzent und Gehirnerschüttererer in der Welt der schwergewichtigen Halbschlagetots. Und bald nach seinem Karriere-Ende wenigstens außerhalb dieser Welt in halbe oder ganze Vergessenheit geraten, so wie George Foreman oder Sonny Liston.
    Ich bin nun mal nicht angetan von der geschäftsmäßigen Ausstellung von Gewalttätigkeit, selbst wenn die sich – wenigstens bei legalen Boxwettkämpfen – immerhin einigen überlebensfreundlichen Regeln zu unterwerfen hat. Was ja durchaus nicht verhindert, daß aus dem Halbtotprügeln gelegentlich auch mal ein Ganztotschlagen wird; da ist dann das Letale das Legale. Und das find ich saublöd, wie schon gesagt. Auf die Gefahr hin, mich hier als Weichwurst & Warmduscher zu outen: Boxen ist für mich eigentlich kein Sport, jedenfalls keiner im guten Sinne; bestenfalls ist es eine τέχνη, eine Kunst – und zwar in der Tat genau die des Halbtotprügelns. Diese Kunst kann ich nicht sonderlich mögen. Aber großes technisches Können kann ich – in diesem Falle neidlos – durchaus anerkennen und dafür dem kunstfertigen Fäusteschwinger Respekt zollen. Bei Muhammad Ali tu ich das aber viel lieber wegen des rühmlichen, nun ja, meinethalben: Beiwerks! Und überhaupt: Man kann jemanden respektieren, ohne ihn dazu auch noch mögen zu müssen, oder? So geht’s mir mit Mr. Ali. Ganz ähnlich geht’s mir übrigens – um in deiner Geschichtszeugenabteilung zu bleiben – mit dem Herrn Westerwelle. Der konnte ja gelegentlich auch ganz gut austeilen.

    Lieber Kai, hervorragend gekontert! Und einen Punkt möchte ich dem großartigen „Beiwerk“ Alis sogar hinzufügen: Er konnte rappen wie ein Gott, als noch keine Sau wußte, was Rappen ist. Schon ein sehr, sehr heller Kopf, von der religiösen Verirrung mal abgesehen, aber in gewisser Weise hat der Islam ihm das Leben gerettet. (Hinweis an meine antideutschen Fans: Wer den letzten Satz zitieren und dabei den Einschub „von der religiösen Verirrung mal abgesehen“ sowie das „in gewisser Weise“ unterschlagen sollte, darf sich gern beim Scheißen vom Blitz treffen lassen.) KS

  3. 3

    Mit Verlaub: „Er konnte rappen wie ein Gott, als noch keine Sau wußte, was Rappen ist“ meint doch bestimmt wirklich nur die Säue (die peitschenschwingend nicht hingehört und -gesehen haben) und nicht jene, denen das Rappen durchaus schon bekannt war?

    Wenn ich Säue schreibe, meine ich auch ausschließlich: Säue. – Aber Sie haben mich neugierig gemacht, lieber Herr Wollny: Als Ali (damals noch: Clay) 1964 vor dem Kampf gegen Sonny Liston seinen Rap „Float like a butterfly / Sting like a bee / The hands can’t hit / What the eyes can’t see“ ausheckte – gab es da wirklich schon den Begriff „Rap“? Klären Sie mich bitte auf! KS

  4. 4

    Lieber Kay Sokolowsky, mit Begriffen ist das so eine Sache. Wann z. B. ist ein Rap ein Rap? Ist er das, wenn die Verwertungsmaschine des Mainstreams etwas entdeckt, das sich zu Geld machen läßt, oder ist er das schon, wenn er nur traditionell lebt, ohne daß ihn jemand benennt?
    Was Ali gemacht hat, kommt ja nicht aus dem Nichts, auch wenn er genial den Mund aufgerissen und dem weißen Mainstream etwas gezeigt hat. Ich habe 1979 (!) im ZDF eine Dokumentation über New Yorker Hip Hop gesehen, lange bevor diese Musik bei uns Hitparadenmusik wurde. Man kann also sagen, von uns wußte noch keine Sau, was das wohl sei, als die in NY das schon gemacht haben.
    Was wir an Musik kennen ist das, was uns an Musik von den Musikverwertern geboten wird.
    Ich kenne mich mit Rap nicht wirklich aus, aber wenn ich der Wikipedia glauben darf, dann ist die Tradition jenes Sprechgesangs schon sehr, sehr alt.
    Als Beispiel zur Illustration dessen, was ich meine: Der Blues. Wann fing das an, mit dem Blues? Mit der „britischen Explosion“? In New York? In Chicago? In St. Louis? In New Orleans?
    Oder gar in Afrika, um eine Frage zu bringen, die sich nach der Doku von Scorsese stellt?
    Irgendwo auf dieser langen Linie der Entwicklung wird der Begriff des Blues geprägt, mit dem etwas verkauft werden kann. Der Begriff „Rap“ mag jünger sein als Ali, aber die Tradition, aus der heraus er zu rappen anfing ist älter als er.
    Das ist so ungefähr das, was ich gemeint habe.

    Danke für die schöne Klarstellung! Nur eine Anmerkung: Scorsese hat natürlich IMMER recht. Sogar wenn er irrt. KS

  5. 5

    Darf ich fragen, wo Scorsese irrt?

    Lieber Karsten Wollny, es ist wie bei meiner Rap-Anmerkung zu Ali …: Ich will durchs Paradoxon nichts als Bewunderung ausdrücken, und Sie erwarten einen höheren, womöglich faktengesättigten Sinn im Widersinn. Aber gut, wenn Sie’s genau wissen wollen: Mit „Shine a Light“ hat Scorsese sich mächtig geirrt. (SO viel Kunstfertigkeit an SO eine Scheißband verschwendet!) KS

  6. 6

    Ach, ich sehe schon, mit meinem ersten Kommentar habe ich etwas angefangen, was wir gar nicht brauchen, denn irgendwie haben Sie natürlich auch recht.
    Aber daß Scorsese geirrt hat, weil die Stones SO scheiße seien, finde ich nicht – wohl aber, daß beide, die Band und der Regisseur irren, indem sie den blöden Clinton in dem Film zulassen und mit dem rumkumpeln. Das ist mal wirklich ekelhaft.

    D’accord. KS

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