Bored beyond belief (2): Onkel Emma
Meine Lieblingsladenwerbung im Hamburger Westen schmückt ein Haus an der Schenefelder Landstraße. Die Reklame ist auf den Fallwimpel einer blauweiß gestreiften Segeltuchmarkise gepinselt, die den Eingang zu einem nicht besonders großen, nicht besonders modernen Kiosk vor der berüchtigten Hamburger Sonne schützt. Gegenüber residiert der FTSV Komet Blankenese, der trotz imposanter Trainingsanlage noch keinen einzigen berühmten Fußballer hervorgebracht hat, dafür aber ordentlich Laufkundschaft in den Laden schwemmt.
Darin wartet ein freundlicher kleiner Mann um die 50, dem die Servilität plus Hektik der bedauernswerten Franchise-Ketten-Sklaven komplett abgeht. Dies ist sein Reich, seine Burg, sein Thronsaal. Er bewegt sich so gemessen durch das dicht gepackte Ensemble aus Kühlschränken, Regalen und Drehständern, so ruhig und souverän, als wäre er Henry Fonda alias Wyatt Earp in „My Darling Clementine“. Freilich trägt Fonda in John Fords Meisterwerk von 1947 einen diskreten Schnauzer, der Kioskbesitzer hingegen einen etwas fusseligen Vollbart. Auch wird hier nicht so viel Blei durch die Luft gejagt wie in Tombstone, obschon die Führungsakademie der Bundeswehr nur einen Handgranatenwurf entfernt ihren Eisenzaun aufspannt. Dennoch – die Vorstellung, daß der Ladenchef zur Siesta lässig in der Schummerecke sitzt wie Fonda/Earp auf der Veranda vorm Sheriff-Büro, eins mit sich und der Prärie, äh, Rumpelkammer: Die fällt nicht schwer.
Und wenn ich das nächste Mal zum Tabakerwerb dieses vorbildlich psychoterrorfreie Konsumtempelchen besuchen werde, traue ich mich vielleicht und endlich, den entspannten Hohepriester mit „Onkel Emma“ anzusprechen. Auf Unbewaffnete wird er bestimmt nicht schießen.