Die Zukunft war gestern im Radio

Nachtrag zur Notiz vom 17. Dezember


Weil Kay Sokolowsky es nicht leiden kann, Werbung in eigener Sache zu veranstalten, spricht er über sich, wenn so etwas sein muß, am liebsten in der dritten Person. Die Call-in-show „Redezeit“ von NDR Info, bei der er am Donnerstagabend zu Gast war, gestattet solche Mätzchen nicht. Deshalb ließ Sokolowsky die günstige Gelegenheit verstreichen, z. B. für sein Weblog oder seine Gastauftritte in der „Nacht der lebenden Texte“ das Trommelfell zu rühren. Sintemalen er sich kurz vor Schluß aufs peinlichste verhedderte im Unkraut seiner, hm, Gedanken bzw. im Dschungel der Wörter, würde er am liebsten über seinen Ausflug ins Studio an der Rothenbaumchaussee schweigen.

Weil jedoch die Sendung trotz Sokolowsky gelungen ist und das Studio-Team und der Moderator Michael Weidemann vorbildlich angenehme Gastgeber waren, überwindet Sokolowsky seine bizarre Eitelkeit und wehrt sich nicht dagegen, daß hier und nun auf den Mediathek-Podcast der Sendung hingewiesen wird. (Der Provinzstadtneurotiker K. S. wäre Ihnen freilich dankbar, würden Sie das oben erwähnte Verheddern und Gestammel ned amol ignorieren.)

Für alle, die zwar nix gegen „Star Wars“ und Sokolowsky, aber einfach keine Zeit haben für 55 Minuten Podcast, kommt gleich nach dem nächsten Absatz der dramatische Höhepunkt der Sendung. Es spricht eine Frau, die eine dezidierte Meinung zum „Krieg der Sterne“, doch nicht den Hauch einer Nuance eines Schimmers von Ahnung hat. Aber mit welcher Leidenschaft die Dame ihre Ignoranz ausbreitet …!

Jedenfalls werden Sie nach diesem Audioclip etwas besser begreifen, warum Zweidrittel der Deutschen die Kanzlerin toll finden, obwohl dasselbe Zweidrittel die Regierungspolitik ablehnt. Oder warum alle Welt Massentierhaltung verabscheut, aber auf eine gute Industriewurst nicht verzichten mag … Et cetera:

 


Freitag, 18. Dezember 2015 23:00
Abteilung: Selbstbespiegelung, Sokolowsky anderswo

6 Kommentare

  1. 1

    Das war Heino Jaeger im Audioclip! Ich habe ihn genau herausgehört! Er lebt immer noch! Lobpreiset den Herrn, Hallelujah!

    Etwa dasselbe ging mir angehörs der alten Dame gleichfalls durch den Kopf. Liegt hier vielleicht ein Fall von Seelenwanderung vor? KS

  2. 2

    „Sintemalen“ – Respekt, Digger! Von wem, wenn nicht von dir, hätte man dieses feine Wort noch einmal dahingedrechselt bekommen können?

    „… ein Bindewort, welches einer angeführten Ursache zur Begleitung dienet, und seinen Stand allemahl zu Anfange des Satzes hat, für weil, indem … In der edlern Schreibart der Hochdeutschen ist es veraltet, als welche es gern den Kanzelleyen überlässet, wo man die Wörter und Partikeln nicht vielsylbig genug bekommen kann.“ Stand bereits 1811 im „Adelung“. Da kannst Du mal sehen, was für ein altmodischer Kanzlist ich bin! KS

  3. 3

    Die größte Bildermaschine der kapitalistischen Welt schmeißt ihre Motoren an, um siebzehnfantastillarden Menschen ins Kino zu locken (und ihnen nebenbei per Merchandise das Geld aus den Taschen zu leiern), und wir lachen über eine Frau, die sich zwar nicht auszudrücken vermag, aber über ihre diffusen Gefühle dazu redet? Im Zusammenhang mit Drohnen hat sie ja vielleicht recht, wenn sie von einer „Verklärung des Krieges“ spricht. Immerhin geht es um einen Film, der den Krieg im Titel trägt.
    Aber vielleicht verstehen wir das, was sie sagt, auch nur, wenn es uns Georg Seeßlen in einem siebzehnseitigen Essay erklärt.
    Ich werde noch einmal darüber nachdenken …

    Oder Sie lesen statt eines langen Riemens von Seeßlen einen von mir, und zwar hier: https://dienachtderlebendentexte.wordpress.com/2015/12/14/star-wars-episode-v-das-imperium-schlaegt-zurueck/
    „Krieg der Knöpfe“ trägt übrigens auch den Krieg im Titel. KS

  4. 4

    Wow: „… oder wird der Kinobesucher zum reinen Objekt einer gigantischen Vermarktungsmaschinerie?“ (Moderator)
    Wenn man Berthold Seligers I have a Stream gelesen hat, dann kann man sich des Verdachtes nicht erwehren (geht zumindest mir so), daß die „Redezeit“ gekauft ist, also Teil dieser Maschinerie ist.
    Ein Grund weniger, über das blinde Huhn, das am Telefon auch mal ein Korn (Drohnen) gefunden hat, zu lachen.
    (Okay, bin jetzt ruhig.)

    Sie haben’s durchschaut. Das Team der „Redezeit“ und der sog. „Experte“ Sokolowsky liegen jetzt begraben unter Bergen schmutzigen Hollywood-Geldes. KS

  5. 5

    Der „Moderator“ an sich (und dieser besonders) ist ja in seiner Funktion als Moderator schon fast genau so blöd, wie die Anruferin, über die wir lachen. (Entschuldigung für mein „Newstickermäßiges“ Kommentieren, während ich das Ding höre.)

    Da muß ich energisch widersprechen. Michael Weidemann ist ganz sicher nicht blöd, sondern benimmt sich als Moderator so freundlich und zurückhaltend, wie es sich in einer Sendung wie dieser empfiehlt. Die übrigens „Redezeit“ heißt und nicht „Talk Radio“. KS

  6. 6

    Lieber Kay Sokolowsky, den nächsten Tag habe ich oft mal gedacht: „Du hast es wieder getan! Du hast dich hinreißen lassen, hast nicht an deinen Worten gefeilt, hast nicht klar genug nachgedacht!“ Wie es dazu kam, darüber schreibe ich für mein eigenes kleines Archiv einen Text, der den Rahmen des Kommentierens hier sprengen würde. Wenn es Sie trotzdem interessiert, lasse ich Ihnen den Text auf anderem Wege zukommen.
    Eine Frage habe ich aber doch noch: Wie werden die Anrufer in solch einer Sendung ausgesucht bzw. gefiltert? Da wird doch wohl nicht jeder Anrufer in der zeitlichen Reihenfolge der eingegangenen Anrufe in der Warteschlange stehen, bis er drankommt. Wie wird ausgesucht, wer da durchgeschaltet wird?
    Ich habe einfach den Verdacht, dass eine solche Anruferin, wie jene Dame, gerne mal „absichtlich“ durchgeschaltet wird. Das „lockert“ die Sendung auf. Und ich befürchte: Der überwiegende Teil derer, die diese Sendung gehört haben, werden sich in drei Monaten vor allem an diese Frau erinnern und den Rest vergessen haben.

    Wie die „Redezeit“ die Anrufer aussucht, kann Ihnen die Redaktion sicherlich besser erklären als ich: Fragen Sie doch dort mal nach. – Ihren Text würde ich gern mal lesen. KS

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