Man schreit deutsh (5): Thilo Sarrazin ist keine alte Hure

Michael Ringel, Redakteur der „Taz“-Satireseite „Die Wahrheit“, teilt heute via Rund-E-Mail mit, daß Thilo Sarrazin den Anwalt Christian Schertz beauftragt hat, gegen die „Taz“ eine Beleidigungsklage anzustrengen. Anlaß dafür ist eine Polemik Ringels vom 18. Juni 2012. Darin heißt es, gewisse Journalisten würden Sarrazin „benutzen wie eine alte Hure, die zwar billig“ sei, „aber für ihre Zwecke immer noch ganz brauchbar, wenn man sie auch etwas aufhübschen“ müsse. Das will der Intelligenz-, Bildungs-, Sozial-, Finanz-, Brauch- und Volkstumsexperte Sarrazin nicht auf sich sitzen lassen.

   Der Fall, sofern es einer wird, zeigt wieder einmal, wie schlecht Leute, die mit dem großräumigen Austeilen von grundlosen Beleidigungen berühmt geworden sind, einstecken können. Er zeigt überdies, daß sie mit dem Lesen Schwierigkeiten haben. Denn keineswegs hat Ringel den Mann, der allen deutschen Deutschen ein leuchtendes Vorbild ist, mit einer Hure, nicht mal mit einer alten, verglichen. Sondern in einer – gewiß drastischen – Metapher den Zynismus und die Gewissenlosigkeit jener Journalisten zu beschreiben versucht, die den Populisten Sarrazin auf die Titelseite heben und ihm ganze Druckbögen einräumen, sobald der irgendein Zeug in die Gegend lispelt, das nach Eklat und Auflagen-
steigerung riecht. Beleidigt müßten jetzt also gewisse Herrschaften beim „Spiegel“, bei „Bild“, der „FAZ“ oder dem „Focus“ sein, doch in solchen Angelegenheiten sind die Profis und deshalb von Empfindlichkeiten frei. Wenn nicht freier.

   Den Unterschied zwischen einem Vergleich und einer Metapher, zwischen Subjekt und Objekt wird einer wie Sarrazin natürlich nie kapieren. Der Schlauberger konnte ja nicht mal, als er bei Plasberg dazu aufgefordert wurde, die acht knappen Zeilen von „Wandrers Nachtlied – Ein gleiches“ korrekt zitieren. Er verfälschte eine und unterschlug eine andere, nämlich die bildschönste: „Die Vögelein schweigen im Walde“. Man sollte die roboterhafte, ohne jedes Gefühl für die Magie der Verse, für Intonation und Rhythmus heruntergenäselte Gedichthinrichtung einmal beobachten, um mehr als eine Ahnung von der Gesamtperson Sarrazin zu bekommen (im Clip ab 4:05).

   Nur ein reinrassiger deutscher Halbbildungsbürger besitzt die Arroganz, sich darüber zu echauffieren, daß in 100 Jahren von wegen Überfremdung kein Schüler mehr Goethes Meisterwerk aufsagen können wird, obwohl ihm selber das Poem und dessen erhabener Geist so fremd sind wie sonst bloß der türkische Gemüsehändler, den er verachtet, und dessen Töchter, die er als „Kopftuchmädchen“ bespuckt.

   Inwischen twittert Silke Burmester, es sollten sich statt Sarrazin „eher die Huren“ beleidigt fühlen. Die werden jedoch kaum klagen. Denn sie können, schon von Berufs wegen, allerhand einstecken. Und vermutlich verstehen sie auch besser Deutsch als ein Bestsellerautor, der nicht vom Anschaffen lebt, sondern vom Abschaffen.


Montag, 25. Juni 2012 21:19
Abteilung: Man schreit deutsh

Ein Kommentar

  1. 1

    Das habe ich gar nicht mitbekommen, nur von der leider erfolgreichen Klage gegen den (von mir) sehr verehrten Deniz Yücel. Sarrazin lebt wohl doch vom Anschaffen.

    Sofern Sie recht haben, plädiere ich sofort und heftig für ein Anti-Prostitutionsgesetz wie in Frankreich. Denn dann müssen die Freier Strafe zahlen, und TS beantragt demnächst Hartz IV. – Hei. das wird ein Spaß! KS

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