Schlechte Verlierer (eine Revue)

Olympische_Gummis_(c)_Kay_SokolowskyAch, wie gern wäre ich dabeiigewesen, in der Kreditkartenarena, als den 200 geladenen und „gut verpflegten“ (Mopo.de) Olympia-Promotoren, -Propagandisten und -Glücksrittern die Visagen entgleisten, gegen 19iUhr am Sonntagabend, wie die Larven mit jeder Minute länger oder, je nach Ausgangslage, breiiger wurden! Wie nurzugern hätte ich jedem einzelnen mitleidig die Hand getätschelt und gesagt: „Nehmen Sie‘s sportlich … Dabei sein ist alles!“

Nun muß ich mich begnügen mit den kolportierten Statements der Loser, jedoch nicht verzichten auf die Schadenfreude, die das Gepampe und Geplärre bei einem alten Spielverderber wie mir zuverlässig auslöst. Es ist schon eine Gaudi, wenn solche Lemuren verlieren und dies nicht mal mit einem Firnis von Fairness können:

Viele lassen sich von dem Jetzt beeinflussen und denken nicht voraus. Mit ‚Nein‘ zu stimmen ist in meinen Augen mutlos“, so die frühere Hockey-Nationalspielerin Britta Becker (…).

Mit Mut kennt Becker sich aus: Schließlich hat sie Johannes B. Kerner geheiratet.

Die Brüder Frederik und Gerrit Braun sind traurig. „Die Angst regiert die Leute derzeit einfach. Es wäre eine echte Sensation geworden, wenn wir 50,1 Prozent erreicht hätten. Die Deutschen sind sehr anfällig für die Panikmache: Es könnte teurer werden. Es könnte unsicher sein. Es ist schade, daß die Leute eher den Angstmachern glauben, als denen, die ihnen Spaß versprechen.“

Es ist jedoch gar nicht schade, daß die Gebrüder Braun nun in ihr „Miniatur Wunderland“ zurücktippeln müssen, wo sich der olympische Größenwahn hoffentlich legen oder wenigstens auf Spurgröße H0 eingedampft wird.

Edina Müller, Gewinnerin der Paralympics 2012 im Basketball: „Ich hätte das Ergebnis nie erwartet. Für mich ist es eine der schlimmsten sportlichen Niederlagen meiner Karriere. Es ist ein herber Rückschlag, insbesondere für das Thema Inklusion. Was in Hamburg in neun Jahren hätte erreicht werden können, wird nun sicher mehr als 30 Jahre dauern. Das ist bitter.“

Hätte sie recht mit ihrem „hätte“, es wäre wirklich bitter. Aber Frau Müller, die erst seit 2011 in Hamburg lebt, darf sich von einem Ureinwohner beruhigen lassen: Alles, was zum Thema Inklusion gehört, würde auch mit Olympia sicher mehr als 30 Jahre dauern.

DOSB-Chef (Alfons) Hörmann bedauert die Entscheidung. Für Sportdeutschland sei dies ein herber Rückschlag. (…) „Wir sind auf dieses Szenario nicht vorbereitet, wir sind fest davon ausgegangen, daß das Ergebnis anders ausfällt.“

Nicht ganz zu Unrecht – so viel Knete, wie in die Manipulation der befragten Bürger gestopft wurde, so viel Aufwand, wie die Massenmedien der Stadt trieben, um die Olympia-Gegner gar nicht erst sichtbar werden zu lassen. (Und einmal dürfen Sie raten, wer an der Werbung für die Bewerbung eine kühle Viertelmillion verdient hat: fängt mit „Deutscher“ an und hört mit „Olympischer Sportbund“ auf.)

Wo aber, bitte, liegt eigentlich dieses „Sportdeutschland“? In Herzogenaurach? Und warum heißt es nicht Speutschland?

Olympische_Gummis_Vignette_(c)_Kay_Sokolowsky

Darauf weiß auch der anwesende Oligarch keine Antwort. Er ist damit beschäftigt, seine Erlebnisse zu verstehen:

Unternehmer Alexander Otto: „Wir erleben hier natürlich eine niedergeschlagene Stimmung – verständlicherweise. Das negative Ergebnis ist sehr schade, denn es war eine einmalige Gelegenheit. Zu einem anderen Zeitpunkt wäre das Votum vielleicht anders ausgefallen. Alle Prognosen waren im Vorfeld deutlich positiv.“

Diese Prognosen müssen von denselben Hellsehern abgegeben worden sein, die Otto beauftragt, wenn sein International Council of Shopping Centers mal wieder eine Innenstadt mit einer Shopping-Mall verwüsten und sich auf die große Sehnsucht der Bürger nach einem weiteren Konsumhochbunker in der City berufen will.

Christoph Holstein, Staatsrat Sport: „Das war eine Entscheidung der Mehrheit. So funktioniert Demokratie. Wir stellen nun aber nicht alles auf den Prüfstand, weil wir eigentlich keine Fehler gemacht haben.“

Bis auf diesen: Olympia nach Hamburg holen zu wollen.

Innensenator Michael Neumann zum Ergebnis: „Das ist sehr schade. Aber das ist eine demokratische Entscheidung, die wir zu akzeptieren haben. Falls noch mal so eine Idee aufkommen sollte, darf man sich nicht beschweren, falls die Stimmung negativ ist. Den einen Grund dagegen gibt es wahrscheinlich nicht. Das hat viele Gründe.“

Von denen einer Michael Neumann heißt.

„Ich mache keinen Hehl daraus, daß ich sehr enttäuscht bin“, so Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank, „aber wir wollten diese Spiele für viele und nicht für eine Minderheit.“

Das muß eine Premiere für die Zwangsgrinserin sein – Politik mal nicht für eine Minderheit zu machen.

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Den Running-gag des Abends lieferte der Allerblamierteste, also der Mann, dem Fegebank das komplette GAL-Programm gegen einen Dienstwagen und die Senatorenpension verhökerte:

Olaf Scholz will sich um 19.30 Uhr erstmals äußern.
Gefühlt warten hier alle auf das Statement von Scholz im Rathaus.
Wie erwartet wird Olaf Scholz sein erstes Statement verschieben.
Auf das Statement vom Ersten Bürgermeister Olaf Scholz wird weiterhin vergebens gewartet.

Als die schlechten Verlierer bereits in Scharen die Kreditkartenarena und das abgegraste Gratisbuffet verlassen, taucht der Scholzomat doch noch auf und muffelt in die Mikrophone:

„Das Ergebnis ist zu akzeptieren, es ist eine Entscheidung, die verbindlich ist. Für uns in Hamburg gilt, was die Bürgerinnen und Bürger gesagt haben.“ (Er hätte sich) gerade in einer solchen Situation [Anmerkung: Paris, Flüchtlinge] ein anderes Ergebnis als wichtiges Zeichen gewünscht.

Ich bin kein Terrorexperte und trotzdem sicher, daß sich IS-Killer von einer Hamburger Olympia-Bewerbung nicht besonders hätten beeindrucken lassen. Und ich weiß, daß die 250.000 Ocken für den DOSB einer Menge frierender Menschen in den Zeltlagern der Stadt weit besser geholfen hätte. Zeichen haben noch keinem die Füße gewärmt.

So wenig, wie das Wünschen hilft, wenn einer an den Geldsack Wolfgang Schäubles möchte. Als der Catering-Service bereits den Dreck aufwischt, spricht der Finanzminister endlich aus, was alle, die sich an der Bewerbung bereichern wollten, leugneten:

„Der Bund hätte das unterstützt, wenn auch nicht in der Größenordnung, wie Hamburg sich das vorgestellt hatte.“

Und hätte Schäuble ein paar Monate früher so deutlich geredet, wäre den Bewohnern der größten Provinzstadt der Republik viel optischer, akustischer und ideologischer Müll erspart geblieben. Allerdings wäre es auch nie zu einem Abend mit so vielen herzhaften Lachern gekommen. Immerhin dafür möchte ich sämtlichen Olympia-Narren aufrichtig danken.

Alle Zitate aus dem „Liveticker“ vom 29.11. auf Mopo.de.


Montag, 30. November 2015 15:42
Abteilung: Gute Nachrichten, Kaputtalismus, Stadtstreicherei

3 Kommentare

  1. 1

    Olympische Spiele nur noch nach Olympia, da gehören sie hin, alle 10 Jahre, mit Laufen, Springen, Werfen und Ringen, das reicht völlig aus!!!!!

    Und was ist mit dem Lieblingssport der Alten, dem Wagenrennen? KS

  2. 2

    Hallo, ich werde mich noch monatelang freuen, den Absahnern den Spaß verdorben zu haben. Dank für den Liveticker.
    So, weiter: Peter Thaesler

  3. 3

    Ja, ich freue mir auch ein Loch in den Bauch.
    Aber – bei 50 % Nichtbeteiligung zur Abstimmung bleibt die Herde der desinteressierten Schafe groß. Wehe, die glaubt wieder irgendwelchen Versprechen.
    Schön ist jedenfalls, dass diese Hohlphrasendreschersprecher mit ihrem Gierinteresse nicht immer durchkommen.

    Es sind die kleinen Freuden des Lebens, die usw. KS

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