Stillvester 2020


Die einzige „Maßnahme“ seit März 2020, der ich
von Herzen zustimmte, war das „Böllerverbot“. Allerdings hatte ich dafür ein anderes Motiv als die „Spiegel online“-Redaktörin Elke Schmitter. Die nämlich kann alles, was mit Silvester zu tun hat, aus blanker Misanthropie nicht leiden:

Weniger Lametta, das war ja ohnehin klar. Aber auch keine Party, kein Silvestervergnügen. Kann man das eigentlich bedauern? […]
Keine traumatisierten Hunde in der Stadt, deren Hüterinnen und Halter in den kommenden Tagen die Netze eben nicht zum Glühen bringen mit ihren Verdammungswünschen für die Proleten aller Bildungs- und Einkommensklassen, die ohne Böller nicht leben wollen. […]
Es wird eine große Stille sein über dem Land. Und es wird gut und schön gewesen sein.
„Spiegel online“, 31.12.2020

Bzw. schön und gut – sofern denn auch Frau Schmitter dazu beitrüge, „die Netze“ nicht „zum Glühen“ zu bringen, das heißt, einfach mal den Schnabel hielte. Etwas unklar bleibt überdies, was die stolze Nichtproletin am Geböller stört, denn Schmitter ist nach eigenem Bekunden schwersthörig: Sie beschreibt das Geräusch explodierenden Feuerwerks als „fauchendes Geknatter“, und solch ein Sound ist allenfalls in einem Paralleluniversum möglich. Aber vielleicht ist Schmitters Oxymoron bloß ein Ausweis hirnjauchenden Geschnatters resp. einer Schmöckin, die Stilblüten für Poesie hält und noch den dümmsten Gedanken für wert erachtet, geäußert zu werden.

Gar nicht erst in den Verdacht des Denkens wollte die Berliner Stadtregierung geraten und erweiterte deshalb das Verbot von Pyrotechnik auf Objekte, die man nicht nur Kindsköpfen, sondern sogar Berliner Senatoren unbedenklich in die Hand geben könnte:

„Auch Wunderkerzen zählen zu den pyrotechnischen Gegenständen“, sagt Martin Pallgen, der Sprecher der Senatsinnenverwaltung. Damit dürfen sie auch nicht in den 56 Böllerverbotszonen benutzt werden, die Innensenator Andreas Geisel (SPD) vergangene Woche erlassen hat. Pallgen stellt klar: „Die Benutzung jeglichen Feuerwerks in den Verbotszonen ist untersagt – dazu zählt auch die Klasse 1 ab Wunderkerzen aufwärts.“
Tagesspiegel“, 30.12.2020

Weiter aufwärts als zu erstklassigem Kinderkram reicht die Kompetenz dieser leeren Hauptstadthäupter offenbar nicht hin.

In meiner Lieblingshanselstadt Hamburg wiederum waren Wunderkerzen zwar gestattet, doch sonst zeigte die Staatsmacht sich unerbittlich:

Wie in den Vorjahren wird Silvester ein Großeinsatz für die Polizei – jeder Streifenwagen soll besetzt sein. Polizeipräsident Ralf Martin Meyer erklärte dazu: „Wir müssen davon ausgehen, daß wir alles, was wir eben haben als Polizei, wohl auch dann im Dienst haben werden.“ […]
Die Polizei werde darauf achten, daß man sich an die Personenbeschränkungen halte „und daß man sich auch an das Verbot hält, daß kein Feuerwerk abgebrannt werden darf“, sagte [Polizeisprecherin] Levgrün.
NDR.de, 31.12.2020

Kurz: die Silvesternacht sollte ruhig kommen und würde sehr ruhig sein, etwa so, wie der G-20-Auflauf 2017 den Insassen der Gemeinde nicht mehr Beschwernis auferlegt hatte „als ein Hafengeburtstag“ (O. Schlz). Die Qual.medien – wie immer, davon müssen wir ausgehen, bestens informiert, objektiv und obrigkeitskritisch – stellten post festum der Polizei, die alles im Dienst hatte, was Polizei eben hat, Bestnoten aus. Die „Hamburger Morgenpost“ zum Beispiel, von Hermann L. Gremliza einst und in schlimmer polemischer Unsachlichkeit als „dümmste Zeitung Europas“ verunglimpft, meldete am Neujahrsmittag:

„Es war wohl das ruhigste Silvester aller Zeiten“, so ein Polizeisprecher zur MOPO. […]
Nur vereinzelt wurden in Hamburg Raketen und Böller gezündet, die Polizei griff eher selten ein, ermahnte in den meisten Fällen. Der Großteil der Bürger hätte sich an die Regeln gehalten, so ein Sprecher.
„Hamburger Morgenpost“, 1.1.2021

Auch beim NDR beobachteten das Geschehen in der Neujahrsnacht lauter Leute, die jede Pressemitteilung der Polizei dreimal lesen. Bevor sie sie eins zu eins nachbeten:

Hamburg erlebt eine ruhige Silvesternacht. […]
Nur vereinzelt fielen Böllerschüsse und einige Schreckschußpistolen wurden abgefeuert.
NDR.de, 1.1.2021

Solche weit mehr als nur vereinzelten Spitzenleistungen des Qual.journalismus rechtfertigen Staatssubventionen und Gebührenerhöhungen gleich welcher Höhe, meine ich. Und um das zu meinen, muß ich einfach vergessen, wie mir und der Gefährtin zum Jahreswechsel Hören und Sehen vergingen:


In diesem Sinne wünsche ich allen Freunden und Freundinnen des „Abfall“ ein neues Jahr, das – anders als das alte und der amtlich zertifizierte Journalismus – nicht in die Tonne gehört!


Sonntag, 3. Januar 2021 0:11
Abteilung: Qualitätsjournalismus, SARS-CoV-2

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