Zeuge der Geschichte (14)

Als mir der Abgang Jerry Lewis‘ mitgeteilt wurde, schnitt ich eine Grimasse.

Einige Stunden später hörte ich im Deutschlandfunk das Kulturmagazin „Fazit“ und schnitt abermals eine Grimasse. Denn die Sendung eröffnete mit „Great Balls of Fire“ von Jerry Lee Lewis, und Moderator Eckhard Roelcke sagte anschließend, ein Komiker, der mit diesem „Rock‘n‘Roll-Hit von 1957 weltberühmt“ geworden sei, habe soeben das Zeitliche gesegnet.

Von solchen Verwechslungen lebt jede Komödie und für einen Lacher hatte der Verblichene, der leider gar nicht singen konnte, einst noch Peinlicheres riskiert. Insofern paßte die Eselei der „Fazit“-Qualijournalisten schon. Um so bedauerlicher, daß im Podcast der Sendung Roelckes lächerliche Ansage fehlt, das heißt, mit dem Notbeil tranchiert worden ist. Offenbar hat zwischenzeitlich die Putzfrau bemerkt, was der Schmock verbockte. Ich aber weiß jetzt, welches Kulturmagazin ich allen empfehlen kann, die vom bürgerlichen Feuilleton weder Kenntnis noch Ahnung erwarten und sich in diesem Vorurteil gern bestätigen lassen.

À pro pos Empfehlung: Es ist für einen Menschen jenseits der 50 recht schwierig, Jerry Lewis immer noch so umwerfend lustig zu finden wie einst im Mai des Lebens. Aber folgende Pantomime aus dem Film „The Errand Boy“ verehre ich bis heute (was freilich auch am Swing des Count Basie Orchestra liegt):

Photo: „Jerry Lewis 2009 3”,
by Georges Biard [CC BY-SA 3.0],
via Wikimedia Commons


Montag, 21. August 2017 21:05
Abteilung: Qualitätsjournalismus, Zeuge der Geschichte

7 Kommentare

  1. 1

    Ach, Kay, danke!
    Da hast Du einen richtig tollen rausgesucht, den ich gar nicht auf dem Zettel hatte.
    Ich dachte erst an einen anderen, bei dem der Großmeister des Big-Band-Swing aber auch sehr geholfen hat – nämlich zu zeigen, daß erst die perfekte Körperbeherrschung vermeidet, aus extrem albernen Herumgehopse extrem entsetzliches Herumgehopse zu machen.
    Wie sich Eleganz und Albernheit auf die richtige Art mischen lassen, hat Jerry Lewis seinen Nachahmern unter anderem in diesem Ausschnitt aus „Cinderfella“ gezeigt:
    https://www.youtube.com/watch?v=EuVVvEig2ic

    Jaaa!, das ist meine drittliebste Nummer von Lewis, danke Dir für den Link. Allerdings hat Lewis hier dem Basie-Orchester zwei Nummern aufgenötigt, die weder zum Sound der größten Big Band ever paßten noch dem enormen Humor des Bandleaders Gelegenheit zur Entfaltung boten. Aber Lewis, die alte Rampensau, ertrug Konkurrenz nur schwer, obwohl der ECHTE Basie-Groove zur Eleganz (ein treffendes Wort!) Lewis‘ viel besser gepaßt hätte. – Bei der Gelegenheit ein Nachtrag zum „Errand Boy“-Clip: „Blues In Hoss Flat“ (so heißt die Nummer, zu der Jerry Lewis den Boß markiert) ist ein Originalstück der Basie-Band und wurde drei Jahre VOR Lewis‘ Film veröffentlicht. (Habe ich mal erzählt, daß ich sehr gern ein fettes Hörspiel über Count Basie schreiben würde? Echt nicht? Aber verfaßt wird nur gegen ein ebenso fettes Honorar. Und bei der Sprecherauswahl will ich Mitspracherecht!) KS

  2. 2

    Da muß ich leider dazwischentrollen:
    https://www.youtube.com/watch?v=MsS7B8nyw5Y
    Von wegen Körperbeherrschung und so…
    Dagegen finde ich Jerry Lewis zum Einschlafen.
    Aber trotzdem, kurz mal eine gewagte Theorie in die Runde geworfen: Ohne Jerry Lewis hätte es nie einen Meister Feinbein gegeben.
    Guten Tag wünscht
    Daniel Lüdke

    Lieber Daniel, Dein Einwand ist – leider – wirklich nur Getrolle. Denn was Jerry Lewis treibt, ist SLAPSTICK. Was Astaire & Rogers machen, ist BALLETT. – Daß Mr. Lewis und Don Martin eine geistige Koinzidenz haben, will ich nicht bestreiten. Guten Tag zurück! KS

  3. 3

    Hat mit Meister Feinbein jetzt nur bedingt zu tun, ist für zum Im-Leben-dazulernen allerdings wichtig und gut geeignet:
    http://www.madcoversite.com/dmd-alphabetical.html
    Schulligung,
    Daniel Lüdke

    Kein Grund für eine Entschuldigung – ich danke für den Link! KS

  4. 4

    Ach, Daniel!
    Es ging doch bei „Eleganz“ nicht darum, einen Komiker mit einem Großmeister des Tanzes zu vergleichen, sondern darum, daß dieser Komiker genug Eleganz besitzt, sich die Jackettärmel im Groove der Musik zurechtzuzupfen und ähnlichem.
    Und das alberne Rumgehopse in „Cinderfella“ hat der langjährige liebste Komiker der Deutschen (selbst wenn er extrem musikalisch ist) Otto nie so hinbekommen, sondern es vielmehr auf eine äußerst flache Ebene gezogen.
    Weil vermutlich Otto nicht jene Ausbildung hatte, die zu Lewis‘ Zeiten Bedingung war.

    Auch deswegen war Jerry Lewis ein Las-Vegas-Star und Otto eben nicht. KS

  5. 5

    Ich fürchte ja auch, dass Jerry Lewis‘ Humor etwas in die Jahre gekommen ist und scheue mich daher, mir all die alten Filme (ob mit oder ohne Dean Martin) anzuschauen, die mich als Kind und Jugendlicher so prächtig amüsiert haben. Gut, daß ich bei den Marx Brothers und Laurel & Hardy sicher sein kann, es mit zeitlos genialer Komik zu tun zu haben.
    Der Lapsus mit „Great Balls of Fire“ ist ganz wunderbar. Schade, daß die „Fazit“-Redaktion so unsouverän war, ihn aus dem Podcast der Sendung zu entfernen. Ihn im Teasertext mit einem augenzwinkernden kleinen Seitenhieb in Richtung Eckhard Roelcke aufzufangen – das wäre echter Qualitäts-Journalismus gewesen. Solche Fehler sagen ja nicht automatisch etwas über die Qualität von „Fazit“ aus, sondern nur etwas über die Sachkenntnis des Moderators bei den Personalien Jerry Lewis und Jerry Lee Lewis (obwohl das schon ein echter Klops ist).
    Der Gute ruhe in Frieden (Lewis, nicht der „Fazit“-Moderator).

    „Fazit“ ist auch sonst eine echte Schmock- und Quatschveranstaltung, leider. Der Fehler ist die Regel, nicht die Ausnahme. KS

  6. Klaus D. Mueller
    Mittwoch, 8. Mai 2019 11:00
    6

    Als eingefleischter Radiohörer kann ich bestätigen: solche Ahnungslosigkeiten höre ich leider oft. Und ich höre beileibe keine Dudel-, sondern sog. „Kultur“-Sender.
    Wenn’s bei Musik um Blues, Jazz und Rock geht, kommen ahnungslose Velwechrungen von Stilen oder Namen oft von Sprecherinnen.

    Zwei Beispiele aus meinem Blog:

    Im Kulturradio des RBB läuft gerade eine astreine Jazznummer aus den sehr frühen Fifties aus Frankreich (Boris Vian: C’est Le Be-Bop). Gar nicht mal so schlecht gesungen vom Alleskönner Henri Salvador mit sehr guter Begleitung vom Jack Dieval Trio. Man hört eine Bebop-Nummer, sehr deutlich angelehnt an Dizzy Gillespies „Oop-Bop-Sh’Bam“. Soweit so gut (besonders der Pianist).
    Die Ansagerin kündigt das treuherzig & wortreich an, als damaligen „neuen Groove des Rock’n’Roll, C’est Le Be-Bop ist so einer der Songs.“
    – – –
    Django Reinhardt wurde gerade in den 12-Uhr-Nachrichten des „Kultur“(!)radios allen Ernstes als „Meister des Flamenco“ bezeichnet.

    Adorno und Horkheimer erklärten das „Bildungsbürgertum“ bereits 1933 für tot, und sie lagen selbstverständlich richtig. Sie ahnten allerdings nicht, welchen Geruch der Kadaver noch heute zu verbreiten vermag. – Danke für die peinlichen Beispiele! KS

  7. Klaus D. Mueller
    Mittwoch, 8. Mai 2019 11:03
    7

    Jetzt 20:15 auch die TAGESSCHAU = Django R. als Flamenco-Spieler.

    Wow! Eigentlich müßte der „Tagesschau-Faktenfinder“ nun rot glühen. Aber die Wahrheitsdruiden haben zuviel damit zu tun, Assange zu ignorieren. KS

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