Deutsche Leibkultur (1): Soul foot

Aufmacher_Leibkultur_(c)_Netto-Prospekt_EM-2012

Die kyffhäuserhohe Überlegenheit deutschen Wesens über alles, was kein deutsches Wesen, also: Unwesen ist, manifestiert sich nicht nur in Weltkriegen. Sondern auch bei Fußball-Europameisterschaften – wie etwa, extraschön, Michael Rosentritt für den Tagesspiegel
notierte:

(Vielleicht) ist es genau das, was den Deutschen auf dem Weg zum Titel noch gefehlt hat. Ein Niederringen Italiens! […] Sicher, der Sieg im Elfmeterschießen von Bordeaux nach intensiven 120 Minuten wird den Spielern von Joachim Löw in den Knochen stecken. Aber, und das ist das Feine daran, er wird eben auch in den Köpfen stecken. Eben Spuren hinterlassen, in Leib und Seele. Das stärkt, das läßt Spieler ausreifen, das lebt fort. Was soll jetzt noch kommen?

Ja, was soll schon kommen? Kanonenfutter, Sparringspartner, Leichtfüße, Franzosen! Ein (haha:) Gegner, besiegt bereits, bevor gepfiffen. Denn wie der Deutsche an den Spuren in seiner Seele zum Deutschen erst ausreift, hat der Franzmann gar keine Seele, in der Spuren hinterlassen werden könnten. Wie zum Beispiel ein Deutscher weiß, der sich „Kong Hardrada“ (das heißt im Norwegisch des Anders Breivik: König Harald) nennt und der nach dem 5:2 der frivolen Franzosen gegen das eiserne Island folgendes in das Forum von Zeit.de einwarf:

Die Franzosen dagegen: seelenlose Geldverdiener.

Der Deutsche freilich widmet sich, was seine ethische Suprematie klar belegt, dem Geldverdienen mit und aus ganzer Seele. Denn er hat er nun mal eine und Spuren noch dazu; tausend Jahre alt, mindestens. Deshalb würde die DFB-Auswahl den Franzos‘ sogar dann niederringen, stünde Manuel Neuer ganz allein auf dem Platz gegen diese Équipe, die ihre Trikolore vermutlich bei uns abgekupfert hat.

Und sollte der Erbfeind den Deutschen wider jede Wahrscheinlichkeit und kosmohistorische Gerechtigkeit düpieren, hat es bestimmt nicht am Talent der Seelenlosen, sondern am Schiedsrichter gelegen. Der kommt nämlich aus der (haha:) Nation der Verlierer; und so weiß ein „ackergold“ (in der Farbskala direkt neben „schollenbraun“) in der Kommentarecke von Spiegel online postwendend bescheid:

Das kann wohl nur ein Witz sein. […] der Italiener könnte in diesem Spiel seiner Verärgerung über das Ausscheiden Italiens problemlos Ausdruck verleihen. Warum nicht gleich einen Franzosen oder einen Portugiesen?

Und Dutzende stimmen in sein Klagelied ein, schauen Sie selbst – es ist fast wie beim Hambacher Fest!

Unparteiisch wäre daher ohne Zweifel einzig ein deutscher Schiedsrichter! Denn der hat Seele, der hat Spuren, und für einen Witz würde solch eine Ansetzung niemand mehr halten. Schon gar nicht der gemeine deutsche Fußballfreund, der seinem Ärger über gar nichts in einer Weise Ausdruck verleiht, die einem Franzosen oder einem Portugiesen enorme Probleme bereitete, weil Seelenlose sich nun einmal gar nicht über gar nichts ärgern können.

Ächten Sportsgeist haben die Deutschen nämlich gepachtet. Wie die Seele, wie die Spuren, wie die Reife und das Geldverdienen: Das ist das Feine daran.

2 Kommentare

  1. 1

    Fein gelitten. Wer mag da nachtreten?
    Jedesmal, wenn mir jemand erzählt, wir hätten gegen diesen oder jenen gewonnen oder verloren, frage ich: „Wer seid Ihr denn?“ Das hilft ein wenig.

    Allein der entgeisterte, nahezu entsetzte Blick, der einem dann zugeworfen wird, ist es wert! Allerdings darf man sich anschließend nicht in eine Diskussion über „unser“ Team verwickeln lassen oder darüber, wie andere Nationen mit ihren Mannschaften umgehen, die seien doch viel fanatischer usw. usf. Ein kühles „Jaja“ und weitergehen. KS

  2. 2

    Verehrter Sokolowsky, ob es diese seelenlosen Vaterlandsverräter hier manchmal übertreiben, überlasse ich Ihrem Urteil – jedenfalls halten Sie den deutschtümelnden Patrioten den Spiegel nur allzu nah vor’s stolze Antlitz …
    Greetz T. O.
    https://m.facebook.com/schlandwatch.original/

    Ist Facebook ja doch für was gut – danke für den Link (und das Lob)! KS

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