Zeuge der Geschichte (27)


Als ich vom Tod des Schauspielers Raymond Allen Liotta las, wollte ich erst fluchen und wüten wie Two-Gun Tommy, doch dann erinnerte ich mich an den weisen Rat von Jimmy dem Gent: „Du verpfeifst nie deine Freunde und hältst immer den Mund.“

Und darum habe ich einen Tag lang geschwiegen, bevor ich jetzt etwas Wohlerzogenes sage – daß nämlich der größte Spielfilm der Geschichte, das makellose, in jeder Beziehung geniale Weltkulturerbe „GoodFellas“ nicht so groß wäre und eventuell einen Makel aufwiese, hätte das Genie Martin Scorsese nicht darauf beharrt, die Hauptrolle, den Gangster Henry Hill, mit dem seinerzeit, 1990, nicht besonders bekannten Ray Liotta zu besetzen. Dem es nicht nur gelingt, neben Joe Pesci und Robert de Niro prächtig zu bestehen, sondern das ungeheure Tempo, die einzigartige Kinetik des Films gleichsam zu inkarnieren. Weshalb Liotta nach diesem Bravourakt nicht der Kinostar wurde, der zu sein er weißgott verdient gehabt hätte, läßt sich rational nicht erklären.

Um aber die große Kunst, den bübischen Charme und die Leinwandpräsenz Liottas sogleich zu erkennen und zu bestaunen, reicht bereits die Besichtigung der berühmten Helikopter-Sequenz aus „GoodFellas“ – ein Muster- und Lehrstück in psychedelischer Photographie (Michael Ballhaus), adrenalintreibender Montage (Thelma Schoonmaker), brillanter Begleitmusik (Harry Nilsson) und nicht zuletzt in schauspielerischem Charisma. Sehen Sie bitte selbst und dann trinken Sie was Gutes auf Mr. Liotta:

 

Photo: „Ray Liotta Deauville 2014“,
by Georges Biard [CC BY-SA 3.0],
via Wikimedia Commons


Freitag, 27. Mai 2022 17:55
Abteilung: Moving Movies, Zeuge der Geschichte

3 Kommentare

  1. Johannes Hüdepohl
    Sonntag, 29. Mai 2022 15:04
    1

    Guten Tag Herr Sokolowsky!
    Ich möchte mich auf diesem Weg (hab keinen anderen gefunden) bedanken für Ihren ausgezeichneten Artikel „Wir Edelbellizisten“ in der konkret 6/22!
    Nur nebenbei: Ich habe nur darauf gewartet, wer sich in Bezug auf mögliche Geschwindigkeitsbegrenzung als erster mit dem Vorschlag outet: Begrenzung für Verbrenner, freie Fahrt für E-Autos. Bei Markus Lanz fand ich ihn, den Oberopportunisten Sascha Lobo.
    Herzliche Grüße
    Johannes Hüdepohl

    Lieber Herr Hüdepohl, vielen Dank für Ihre Anerkennung! Sie könnten es wohl auch mit einem Leserbrief an KONKRET probieren; aber auf dessen Veröffentlichung habe ich natürlich keinen Einfluß. – Daß ein Ausbund an Selbstgerechtigkeit, Arroganz, Stilabsenz und Oberflächlichkeit wie Lobo es dahin geschafft hat, wo er jetzt fuchtelt und geifert, erzählt eigentlich schon alles über die Verkommenheit und Korruption der hiesigen Bewußtseinsindustrie und der woken Laptop-class-Lefties, die Lobo als Guru verehren. KS

  2. 2

    Ein Großer, das war Ray Liotta fürwahr. Ich habe ihn immer gern gesehen. Er hatte 2004 mal einen Gastauftritt in der durchaus sehr sehenswerten Krankenhausserie „Emergency Room – Die Notaufnahme“. Die Episode „Time of Death“ war ganz auf Liottas Figur zugeschnitten (normalerweise spielen sich in jeder Episode die Schicksale diverser Patientinnen und Patienten ab). Er spielte einen sterbenden Obdachlosen, der es bereut, sein Leben vergeudet zu haben und dessen letzter Wunsch es ist, noch einmal seinen Sohn zu sehen. Meine Holde und ich haben die Serie (alle 15 Staffeln) vollständig gesehen, diese Episode gehörte zu den für mich bewegendsten überhaupt (nicht zuletzt aufgrund des Motivs des Vaters, der seinen Nachwuchs nicht mehr sieht).
    Lieber Kay, du hast irgendwann auch mal angedeutet, mir für „Die Nacht der lebenden Texte“ eine Huldigung des besten Mafiafilms überhaupt liefern zu wollen. Falls du dazu Zeit und Muße hast, nehme ich einen solchen Text natürlich mit Kusshand.
    Lieben Gruß,
    Volker

    Lieber Volker, danke für diese wertvolle Ergänzung zu meinem Liotta-Nachruf! Weil ich „ER“ nie guckte, ist diese Episode an mir vorbeigegangen. Schade! wie ich nun sagen muß.
    Was Deine diskrete Aufforderung, etwas über den besten Mafiafilm (der auch der beste Spielfilm überhaupt ist) zu schreiben, betrifft … Ich müßte, um diesem einzigartigen Werk gerecht zu werden, ein dickes Buch vollkritzeln, und bis dahin ist es lang. Doch ich könnte mir gut vorstellen, anhand einer einzigen Szene die Meisterschaft Scorseses und seines Teams zu schildern. Falls Du so was haben wollen würdest. – Schönes Wochenende Dir und den Deinen! KS

  3. 3

    Leider muss am heutigen Tag der weitere Heimgang eines „Goodfellas“-Schauspielers vermeldet werden: Tony Sirico, der seinen weitaus größeren Auftritt in „The Sopranos“ hatte, einer Serie, die ohne „Goodfellas“ kaum denkbar wäre.

    Schön, daß Sie an Sirico erinnern (der in „Goodfellas“ tatsächlich kaum zu sehen, aber unverzichtbar ist). Schöner noch, daß Sie auf die tiefe Verwandtschaft der „Sopranos“ mit Scorseses Meisterwerk hinweisen. Die Freunde der italienischen Oper, Hamburger Sektion, danken! KS

Kommentar abgeben (Kommentare unter Moderation - Regeln siehe HIER)

Math Captcha *Zeitlimit überschritten. Bitte füllen Sie das Captcha noch einmal aus.