Zeuge der Geschichte (29)


Als ich vom Tod des Cartoonisten und Humoristen Jean-Jacques Sempé erfuhr, war mir gar nicht zum Lachen zumute.

Denn seit ich vor bald 50 Jahren zum ersten von ca. hundert Malen Der kleine Nick durchblätterte, vergöttere ich die Kunst Sempés, seinen zarten, zittrigen Strich, seine Beobachtungsgabe, seinen unerschütterlichen Humanismus. Und ich würde sofort alles, was ich je schrieb, dafür hergeben, der Autor und Illustrator von Monsieur Lambert zu sein. Sonst müßte in meiner Werkliste nichts stehen, und ich würde mich fortan der Kartoffelzucht widmen o. ä.

So vermessen aber, mein gesammeltes Zeugs gegen Sempés größten Geniestreich, die ebenso lustige wie tiefsinnige Geschichte von Marcellin Caillou eintauschen zu wollen, bin ich nicht. Auf nicht viel mehr als 100 Seiten – aber was für hinreißend gestalteten Seiten! – gelingt Sempé eine Wesensbeschreibung wahrer Freundschaft, die ihresgleichen nicht hat in ihrer Mischung aus Wärme, Weisheit und Witz. Dies ist vollkommene Poesie. Und die Menschheit sollte Monsieur Sempé für immer dankbar sein, daß er ihr so etwas schenkte, solche Magie, solches Glück: „Ich höre ein Niesen. Sicher Rudi Rettich … Es ist schön, wenn man einen Freund hört, so mitten in der Nacht.“

Photo (Ausschnitt): „Jean-Jacques Sempé in 2016“,
by Olivier Meyer [CC BY-SA 4.0],
via Wikimedia Commons


Freitag, 12. August 2022 22:29
Abteilung: Litterarische Lustbarkeiten, Zeuge der Geschichte

Ein Kommentar

  1. 1

    Finde ich auch!

    Finde ich gut! – Aber was genau meinst Du? KS

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