Archiv für die Abteilung 'Litterarische Lustbarkeiten'

Heiteres Ratespiel für die gebildeten Stände (2)

Freitag, 23. Januar 2015 16:24

Quizlogo_gebildet_(c)_Kay_SokolowskyDas Materialistische und das Religiöse stehen sich, hch-chmm, sensibel gegenüber. Je höher, schneller, weiter die Wissenschaft in die Struktur der Schöpfung eindringt, desto weniger Schöpfer findet sie darin. Es gibt kein Aufklären über das Leben, das Universum und die Ziffer 42 ohne Gottlosigkeit. Denn erst der Zweifel zeigt den Denker / die Skepsis ehrt den Menschenfreund. / Wo sitzt er jetzt, der große Lenker? / Hat er seinen Thron geräumt? – Aufklärung kann nicht sein, wo geglaubt wird. Deshalb ist Blasphemie die Vorstufe des „Ausgangs aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit“ (Kant).

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Empfehlung des Hauses: Weltmeister Wolf

Donnerstag, 15. Januar 2015 23:00

Es waren seine „WM-Moritaten“, die mich, ich war grad 18 geworden, bei ihrer Erstveröffentlichung in Titanic erstmals auf den Meisterdichter Ror Wolf aufmerksam machten. So etwas Witziges, Aufregendes, Kunstvolles hatte ich vorher noch nie gelesen, wenn es um Fußball ging:

Zwölf Uhr in Mexico, in einer heißen
zerpfiffnen Schüssel, Celsius sechzig Grad.
Es kochte furchtbar, doch das Resultat
gilt als Bonbon in den Expertenkreisen.

(WM-Moritat „Neunzehnhundertsiebzig“)

Tatsächlich gab es seinerzeit auch nichts, was dieser Art, mit dem Thema schreibend umzugehen, gleichkam, nicht einmal von fern. Übrigens hat sich an diesem Zustand wenig geändert, aber das ist kein Wunder. Denn Ror Wolf hat nie wie andere Schriftsteller versucht, den Fußball plan nachzuerzählen. Das geht nämlich nicht, ohne den Leser in Grund und Boden zu langweilen.

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Die Zukunft war gestern: Prolog, Phase 1

Freitag, 26. September 2014 1:07

Teaser_Zukunft_(c)_Kay_SokolowskyEin Licht in der Nacht
Alles fängt an mit der Mondlandung. Ich hatte nur noch drei Tage übrig bis zu meinem sechsten Geburtstag und bloß vier (freilich endlose) Wochen bis zur Einschulung. Weil mein Vater sich das welthistorische Ereignis nicht allein ansehen mochte, durfte ich, nachdem ich mich beim majestätischen Start der Saturn V eine knappe Woche zuvor als Bewunderer geoutet hatte, bis in die Morgenstunden bei ihm auf dem alten Sofa sitzen. Eine Nervosität, viel zu groß für einen winzigen Menschen wie mich, wühlte in mir. Ich befürchtete, einerseits, daß mein Vater, ein ausgesprochen launischer Mann, mir unvermittelt den Abmarsch ins Bett befehlen würde, und ich malte mir Verteidigungsstrategien aus, wohl wissend, daß sie gegen die brachialen Erziehungsmethoden meines Alten alle versagen würden.

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Abteilung: Litterarische Lustbarkeiten, Selbstbespiegelung, Sokolowsky anderswo | Kommentare (2) | Autor:

Grauen, Glück und Trost

Freitag, 11. Juli 2014 23:39

Am 29. Juni beging der bedeutendste deutschsprachige Dichter, Ror Wolf,
seinen 82. Geburtstag. Etwas verspätet, aber tief verbeuge ich mich
vor dem Menschen, dem Genie,
dem Freund mit einer Eloge auf seinen
jüngsten Roman
Die Vorzüge der Dunkelheit
.

.

Abb.: Schöffling & Co / Ror Wolf

Abb.: Schöffling & Co. / Ror Wolf

Ich bin nur ein Jahr älter als Ror Wolfs erster Roman Fortsetzung des Berichts. Ich übertreibe also nicht, wenn ich behaupte, daß dieser Autor mein Leben begleitet. Seit meiner ersten Begegnung mit Wolfs Kunst – und zwar 1981 mit den „WM-Moritaten“ in einem Vorabdruck der Titanic – haben die Schönheit seiner Sprache und die Vieldeutigkeit seiner Dichtung mir mehr eingeleuchtet als sämtliche vom Föjetong hochgejazzten Poetendarsteller der Saison. „Man rühmt nicht“, bemerkte einmal der große Olaf Stapledon über sein Idol H. G. Wells, „die Luft, die man atmet“. Ich halte mich an diese Maxime und schreibe hier überhaupt nichts Rühmendes. Ich stelle bloß Tatsachen fest.

Es fällt mir, wie man sich bereits denken wird, nicht schwer, Die Vorzüge der Dunkelheit als das Werk eines Meisters zu bewundern. Als das Zeugnis eines Mannes, der sich von den Widerständen und der Schmach der Welt auch in seinem neunten Jahrzehnt nicht unterkriegen läßt und sich statt dessen anschickt, sie in Neunundzwanzig Versuchen zu verschlingen. Das erinnert mich an den unzerbrechlichen Charakter meiner liebsten Romanfigur, des Käptn Ahab – aber ohne dessen Wahnsinn, Menschenverachtung und Humorlosigkeit. Vor allem aber erinnert dieser Horrorroman daran, welche infiniten Möglichkeiten Wörter und Prosa zu entfalten vermögen, wenn einer den Mumm hat, sich diesen Möglichkeiten in all ihren Konsequenzen zu stellen. Es ist nämlich viel einfacher (und weniger aufrichtig), eine Erzählung brav herunterzustiefeln, statt in jedem Satz den schöpferischen Prozeß selbst offenzulegen und zum Thema zu machen, wie Wolf es tut.

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Abteilung: Litterarische Lustbarkeiten | Kommentare (0) | Autor:

Arno Schmidt: Gedanken zur Europawahl …

Samstag, 24. Mai 2014 22:44

… und weshalb die AfD und die CDU nu ma gah nich wählbar sind:

„Christlich-Abendländische Kultur !?“ Wenns Denen nach gegangen wäre, hielten wir heute noch die Erde für ne Scheibe mit Rom oder Jerusalem in der Mitte: aus Kant und Schopenhauer hätten sie n Scheiterhaufen gemacht, dann tüchtig Goethe und Wieland druff, und mit Darwin und Nietzsche angezündet!

Bundesarchiv_B_145_Bild-F088724-0011,_Europaflagge,_wehend_Ausschnitt_(c)_BArchBot




Aufgeschrieben – das nenn ich einen zeitlosen Dichter! – bereits 1953 in dem sowieso großartigen Ziemlichkurzroman Die Umsiedler.

Photo: Wikimedia Commons/Bundesarchiv

Abteilung: Litterarische Lustbarkeiten, Man schreit deutsh | Kommentare (2) | Autor:

Ein Unvergleichlicher: Ror Wolf wird 81

Samstag, 29. Juni 2013 3:53

Einen größeren, klügeren, inspirierteren – unerbittlicheren, unbestechlicheren, unbeirrbareren – aufmüpfigeren, aufregenderen, aufreibenderen –

– einen Dichter wie ihn werde ich in meinem jämmerlichen Leben nie wieder sehen.

Es ist die größte Schande des hierzulande waltenden Literaturbetriebs, daß dieser unvergleichliche Autor, dieses Genie, das sogar Herrschaften wie Arno Schmidt locker in die Tasche steckt, weder den Büchner- noch den Goethepreis angedient bekam. Aber vielleicht waren diese Preise die große Ehre nicht wert, von ihm, von Ror Wolf, empfangen zu werden. Man muß ja nur mal gucken, welche Pfeifen dem Meister Wolf bevorzugt wurden. – Eine Schande bleibt es dennoch.

Möge er, unser bedeutendster lebender Dichter, uns noch lange erhalten bleiben! Ich bin um jeden Tag froh, den ich mit ihm auf einer Erde verbringen darf. Um jeden.

Dieser Mann hat nirgends seinesgleichen.

Abteilung: Litterarische Lustbarkeiten | Kommentare (0) | Autor:

Gedenke Banks

Sonntag, 9. Juni 2013 23:10

Diese ganzen Systeme dunkler Planeten, diese Billionen von Quadratkilometern leeren Papiers repräsentierten die Zukunft des Gehirns, die Räume, die es in seinem zukünftigen Leben
füllen würde.

Falls es ein zukünftiges Leben hatte.
Bedenke Phlebas

Daß Iain Banks, der neben Robert Charles Wilson erheblichste Science-Fiction-Autor unserer Zeit, unheilbar an Krebs erkrankt war, wußte ich schon; er gab es ja vor ein paar Monaten mit seltener Gelassenheit und Würde bekannt. Daß Iain Banks tatsächlich sterben würde, habe ich bis vor ein paar Minuten für unmöglich gehalten. Ein Mann, der so überwältigend gescheite und phantasievolle Riesenschnurren wie Exzession, Welten und natürlich das singuläre Bedenke Phlebas geschrieben hat, darf nicht mit 59 Jahren sterben. Ein Mann mit soviel Geist und Takt und Stil und Witz und Menschenliebe soll sich noch mit 100 bester Gesundheit und, wenn er so gnädig sein mag, auch uns erfreuen. Aber der Krebs, der Scheißkrebs, der elende, verfluchte, brunzdumme Scheißkrebs liest keine Romane, jedenfalls keine guten, und knöpft sich zielsicher immer die Falschen vor. Immer. Immer.

Ich ziehe mich jetzt ein paar Tage vom Bloggen zurück und schnalle mir statt dessen Bedenke Phlebas, diese brillanteste Space opera der Literaturgeschichte, vor die Augen. Dann sieht es wenigstens niemand, sollte ich anfangen zu heulen.

 

Abteilung: Litterarische Lustbarkeiten, Per sempre addio | Kommentare (1) | Autor:

Und hier: Satans Grußwort zum Kirchentag

Mittwoch, 1. Mai 2013 9:00

„Better to reign in Hell, then serve in Heav′n.“

„Zu herrschen in der Hölle hier ist mir
Lieber, als in dem Himmel nur zu dienen.“

John Milton: Paradise Lost, Erstes Buch (Nachdichtung: Hans Heinrich Meier)

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