Signs O‘The Times (2)


Darf ich Sie etwas fragen? Wie lange dienen Sie schon bei der Feuerwehr?“
„Seit ich zwanzig wurde, vor zehn Jahren.“
„Lesen Sie jemals welche von den Büchern, die Sie verbrennen?“
Er lachte. „Das ist doch verboten!“
„Ach so, ja.“
„Es ist ein schöner Beruf. ‚Montag brenne Millay, Mittwoch Melville, Freitag Faulkner,
brenne sie zu Asche, dann verbrenne noch die Asche.‘ Das ist unser Wahlspruch.“
Sie schritten weiter, und das Mädchen fragte: „Ist es wahr,
daß die Feuerwehr einst Brände bekämpfte, statt sie zu entfachen?“
„Nein. Die Häuser waren schon immer feuerfest, verlaß dich drauf.“
Ray Bradbury: „Fahrenheit 451

Ein, nein: der Vorwurf, den ich mir seit knapp anderthalb Jahren anhören muß – das heißt, seit ich zum ersten Mal appellierte, wenigstens die Kinder von Voodoo-„Maßnahmen“ zu verschonen –, lautet: „Sokolowsky, Sie sind abgedreht.“

Das ist wie so vieles in der Virusparanoia, die Laptop-class-„Linke“ pflegen, pure Projektion im Sinne Doktor Freuds. Tatsächlich hat sich weder an meiner Perspektive auf die Welt noch an meiner Haltung irgendetwas geändert. Wenn die Gesellschaft verrückt wird, landet einer, der standhaft bleibt, freilich schnell im Abseits. Auf „Linke“, die seit März 2020 eindrücklich ausstellen, daß sie nach staatlicher Autorität lechzen wie der Schlachterhund nach der Peitsche, wirkt einer wie ich, der seinen guten Gründen treu und dem bourgeoisen Staat ungewogen bleibt, natürlich wie eine Provokation.

Und weil die „linken“ Corona-Fanatiker, die eingebildet aufgeklärten Hygienehysteriker mir anhand meiner Texte weder Konspirationsspinnerei noch AfD-Sympathien vorwerfen können –: erfinden sie kurzerhand, was sie nicht finden. Die intellektuelle Gemeinheit, die hier am Gange ist, die Lust am Diffamieren und Denunzieren, die sich da auswichst, ist mir nicht neu. Nachdem ich 2009 Feindbild Moslem veröffentlicht hatte, verschrien mich vorgeblich „Linke“ als Antisemiten und, jawoll, „abgedreht“. Nun, ich weiß, wer recht behalten hat in Angelegenheiten des als Religionskritik getarnten Rassismus. Ich habe vor der AfD gewarnt, bevor es sie gab. Viele meiner damaligen Kritiker hingegen sind der AfD in Angelegenheiten des Autoritarismus und der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit inzwischen so nah wie die Hose dem Arsch.

Die Rechnung kommt stets zum Schluß. Ich bin sehr gespannt auf die Ausreden und schieren Lügen, mit welchen die „linken“ Opportunisten, die „progressiven“ Panikschürer, die „woken“ #Wichswichtel-Bekämpfer ihre Zeche zu prellen versuchen, wenn das Seuchennarrentief in sich zusammenkracht vor lauter falschen Modellen und inneren Widersprüchen.

***

Wie verkommen diese „Linken“ sind, die besser Zeloten hießen, diese „Progressiven“, die an der Aufklärung nur das Negative schätzen, diese „Woken“, die sich daran aufgeilen zu unterteilen –, wie bereitwillig sie alles verraten haben, was zu glauben sie mal glaubten, wie engstirnig und selbstgerecht sie blöken, läßt sich aktuell an Freiburgs Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer studieren. Ich, der „Abgedrehte“, der „Transformierte“ (so neulich eines der schäbigsten Schlammgeschöpfe aus dem „Bahamas“-Sumpf über mich via Facebook), ich jedenfalls schätze Palmer heute kein Quentchen anders ein als vor drei Jahren. Daher kam es mir gar nicht wie ein Ausrutscher vor, als er neulich im Dialog mit einer „Impfgegnerin“ den Sauron aus sich rausließ und alle, die keine „Versuchskaninchen“ (O. Schlz) sein wollen, in den Kerker wünschte:

Auf seinem Facebook-Profil geriet der Grünen-Politiker in eine Auseinandersetzung mit einer Impfgegnerin. Diese unterstellte ihm als Befürworter einer Impfpflicht eine „totalitäre Weltanschauung“ und bezeichnete die Impfung als „prophylaktische Gentherapie“. […] In seiner Antwort bezeichnete [Palmer ] die Frau als „schlicht komplett ignorant“. Weiter schrieb er: „Für Leute wie Sie muss die Impfpflicht her. Gerne bis zur Beugehaft“.
T-online, 22.12.2021

Die Brutalität der Aussage, die Anmaßung des Amtsträgers, der antidemokratische Geist dieses Geistlosen – sie sind hier so offenkundig wie in seinen früheren Ausfällen gegen Migranten oder Schwarze (die er am liebsten beim N-Wort nennt). Aber all die Helden des kritischen Bewußtseins, die ihn gestern noch verdammten, schweigen heute wie die Lämmer zu seiner neuesten Übung in völkischer Rhetorik. Denn Palmer spricht ihnen aus der Mördergrube, die sie ein Herz nennen.

***

Was unterscheidet die Grünen von den Unionsparteien? Die Höhe der Schmiergelder.

Ideologisch sind Differenzen nur mit der Lupe zu finden, und dort, wo die Grünen regieren, nicht mal mit dem Elektronenmikroskop. Die Wut, mit der Grüne auf jede Kritik reagieren, die Häme gegen die politische Konkurrenz, die Verachtung der Plebs, die Vergottung des „starken“, das heißt, schikanierenden Staats – lauter Charakteristika, die sich genauso bei den Charaktermasken von CDU und CSU finden. Immerhin tun die Unionisten nicht so penetrant, als wären sie die Anwälte der Zivilgesellschaft und Beschützer der Schwachen, die Hüter der haßfreien Rede und Apostel der Selbstreflexion.

So wie der alte Sack Boris kann es auch das Jungvolk der Partei, und sogar noch bigotter. Saskia Weishaupt, seit dem 26. Oktober neu im Bundestag, fühlte sich am selben Tag, als Palmer mit Beugehaft für „Impfgegner“ drohte, bemüßigt, via Twitter ihre ordnungspolitischen Vorstellungen über Bürger, die gegen eine Impfpflicht demonstrieren, kundzutun:

Die Taktik von den [!] Querdenker:innen ist es, sich Stück für Stück die Straße zu erkämpfen. Polizei muss handeln und im Zweifelsfall Pfefferspray und Schlagstöcke einsetzen. Wir dürfen ihnen kein [!] Millimeter überlassen!

Weishaupt kann zwar kein Deutsch, aber deutsch denken, das kann sie wie nur je ein Untertan, der sich obenauf fühlt. Als die Empörung über ihre Gewaltphantasien zu groß wurde, löschte #SchlagstockSaskia den Lukaschenko-Gedächtnistweet und zwitscherte eine Entschuldigung ins Netz, in der mehr Lügen als Wörter stehen. Und weil Grüne stark zur Verschwörungsspinnerei neigen, weinte Weishaupts Parteikumpanin Katrin Göring-Eckardt in ihrem Twitter-Kanal Krokodil:intränen:

Was mich wirklich entsetzt, wenn auch leider nicht überrascht ist wie die VerschwörungsRechten über sie hergefallen sind.

Was mich keineswegs entsetzt und auch nicht überrascht, vielmehr in einer alten Gewißheit bestätigt, ist die Begeisterung der Grünen für den Polizeistaat, die Bigotterie, mit der sie von ihren antidemokratischen Entgleisungen ablenken, und die Schamlosigkeit, mit der sie sich als Opfer inszenieren, sobald man sie bei einer Untat ertappt.

Von solchen Großmeister:innen der passiven Aggression und des Bullshit-Bingos die kommenden vier Jahre regiert zu werden, versuchte ich mit meinen Mitteln zu verhindern und scheiterte (wie immer). Aber greine ich jetzt über eine Konspiration von Kapital, Funktionselite und Qual.medien zwecks Installation dieser erzopportunistischen Heuchler:innen in der Gesetzverfertigungsmaschine der Republik? Selbstverständlich nicht.

Schuld an der parlamentarischen Existenz solcher Jammerlappen wie Weishaupt oder Göring-E. sind keine geheimen Mächte, sondern die Trottel:innen, die sie in den Bundestag wählten. Weil ich‘s schlicht nicht besser formulieren kann, wiederhole ich, was ich 2018 im Fall des „Der-schon-wieder“ schrieb:

[Die Wähler der Grünen] werden sich selbst dann noch als „kritische/engagierte/progressive Bürger:innen“ salben, wenn ihre Spitzenrepräsentanten aus der Rosette des Kapitals nicht mal die Füße mehr hängen lassen. Sie und ihre Parlamentäre sind ein und dieselbe faule (evtl. biologisch abbaubare) Sauce und Kotzbrocken wie W. Kretschmann oder R. Harms das, was ihnen beim Auslöffeln am besten schmeckt. So unappetitlich wie grüne Anführer (und meine Metaphern) sind die Nachläufer auf jeden Fall.

***

Daß despotische Anwandlungen eines Politikers beim Fußvolk nicht etwa auf Mißbilligung stoßen, sondern als Freibrief für eigene protofaschistische Entgleisungen genommen werden, ist keine Neuigkeit. Doch in dieser grundgesetzlosen Zeit ist jedem das Herumgoebbeln gestattet, wenn es sich nur gegen die Kritiker der Seuchenpolitik Feinde des Staates richtet, und ein Vokabular, das bei „Querfurzern“ und „Leerdenkern“ korrekt als Haß und Hetze getadelt würde, ist aus dem Munde der Corona-Fanatiker guten Demokraten nicht schlimm, sondern bloß die neue Normalität.

Ein Musterexemplar von Grünen-Wähler – laut Selbstbeschreibung Antifaschist und im Wahn seines Sinns ein Freiheitskämpfer wie mindestens Nelson Mandela – hinterließ am 23. Dezember folgenden Aufruf zur Gewalt auf Twitter:

Solche rot angepinselten SA-Schläger wie „Left2See“ muß „Bundespräsident Schleimscheißer“ (H. L. Gremliza) gemeint haben, als er zu Weihnachten seimte:

Ich möchte aus vollem Herzen der großen, oft stillen Mehrheit in unserem Lande danken, die seit Monaten umsichtig und verantwortungsvoll handelt.

Und wenn man diese große, oft stille Mehrheit in unserem Land handeln ließe, wie sie will, dann würde weggekärchert, geprügelt, geblendet, ruhiggestellt und zwangsgeimpft. Aus vollem Herzen, Umsicht und Verantwortung. Und außerdem hat dergleichen Straßenbereinigung guten Deutschen immer schon Spaß gemacht. Da braucht‘s echt keine staatlichen Befehle. Die Brandstifter spielen nur zu gern Feuerwehr. Verlaß dich drauf.

PS. Kurz bevor ich dieses Posting veröffentlichen will, kommt die widerwärtigste, gewissenloseste und eitelste Grünen-Spitzenkraft daher, führt sich auf, als wollte sie Franz-Josef Strauß, Gustav Noske oder gleich Kaiser Willem beerben, und schnarrt aus ihrem Miles-and-more-Maul, das eine urdeutsche Fresse ist, Wörter, die sich nicht mal Markus Söder traut:


So, exakt so wie Özdemir sieht sie aus und hört sie sich an, die grüne Vorstellung von Zivilgesellschaft und Demokratie.

Wird fortgesetzt.


Montag, 27. Dezember 2021 22:38
Abteilung: Man schreit deutsh, SARS-CoV-2

13 Kommentare

  1. 1

    Lange Zeit hielt ich die unterschiedliche Weltwahrnehmung durch Informationsquellen begründet. Wir hatten nie ein Fernsehgerät.„SPIEGEL“, „Zeit“, „Süddeutsche“ oder „Taz“ habe ich immer nur zu Rate gezogen, um zu wissen, woher der reaktionäre Wind weht. Es war eindeutig schwer, mit Menschen zu kommunizieren, die das anders hielten. Je mehr sich die allgemeine Krise des Kapitals zuspitzte und die Kapitalkonzentration homogene, durchkorrumpierte, herrschaftssichernde Medien von den Resten der informativen Inhalte befreite und zu reinen Manipulationsinstrumenten verkommen liess, umso klarer wurde mir, dass es n i c h t die Medien sind, die die Menschen verblöden, sondern dass es Menschen ohne Klassenbewusstsein sind, die diese Medien kritiklos konsumieren.
    Die Akzeptanz des Coronanarrativs, die Bereitschaft sich anzupassen, zu unterwerfen, sind Ausdruck der Unfähigkeit, den wahren Gegner zu erkennen, sind schlicht und wenig ergreifend die Folgen fehlenden Klassenbewusstseins.
    Korruptionsbereitschaft, Blödheit, Faulheit, Charakterschwächen aller Art, ja mei; halb zog sie ihn, halb sank er hin. Mit Klassenbewusstsein wäre ihm/ihr das nicht passiert. Oder?

    Skepsis gegen staatlichen Autoritarismus schadet aber auch nicht. Daß die immer populäreren „Spaziergänge“ vor allem vom Kleinbürgertum besucht werden, spricht ein wenig gegen Ihre Theorie vom Klassenbewußtsein. Aber auf jeden Fall ist Ihre These, lieber Andreas Schmid, eine Diskussion wert. Wer macht mit? KS

  2. 2

    Der Umkehrschluss, lieber KS, güldet nicht. Spazieren gehen oder gegen Unbequemlichkeiten protestieren sind gut und nützlich, aber nicht notwendig ein Ausdruck von Klassenbewusstsein.

    Da haben Sie recht. Aber ich wollte auf etwas anderes hinaus: Daß nämlich die „Maßnahmen“ eine klassenübergreifende Entrechtung der Staatsinsassen sind und deshalb der Protest auch aus der Klasse kommt, die der Herrschaft sonst immer die wichtigste Stütze ist. KS

  3. 3

    Sehr geehrter Herr Sokolowsky!
    Zunächst möchte ich einmal erklären, warum ich nicht, trotz langjähriges Lesens, mich an Diskussionen beteiligt habe, und es wahrscheinlich auch in Zukunft nicht werde. Der Grund ist so simpel wie einfach: ich kann nicht in schriftlicher Form ausdrücken, was ich “meine“, nicht verständlich, eher mißverständlich. Das führt zu endlosen, nutzlosen Erklärungen, sinnlos.
    Aus diesem Grunde möchte ich mich hier nur einmal bedanken, das sie, sehr geehrter Herr Sokolowsky, in der Lage sind, mir aus der Seele zu sprechen.
    Ihre Beiträge in Ihrem “Kritzelbuch“ sind für mich schon seit sehr langer Zeit nicht nur eine Quell der Freude, diese zu lesen, sondern eine Bestätigung, das ich mit meiner Meinung nicht alleine dastehe.
    Ansonsten bedanke ich mich ganz besonders für das wunderschöne Adjektiv “bigott“, welches Sie mir, als Antwort auf meinen ersten Post hier zukommen liessen, hatte ich schon nicht mehr in Erinnerung.
    Mit freundlichen Grüßen, EutinOH

    Danke für Ihren liebenswürdigen Kommentar! KS

  4. 4

    @Andreas Schmid
    „Lange Zeit hielt ich die unterschiedliche Weltwahrnehmung durch Informationsquellen begründet. […] umso klarer wurde mir, dass es n i c h t die Medien sind, die die Menschen verblöden, sondern dass es Menschen ohne Klassenbewusstsein sind“
    Dachte ich auch. Aber je mehr sich zeigte, dass in allen politischen und unpolitischen Lagern, Menschen eher zu Maßnahmen-Befürwortern oder zu Maßnahmen-Kritikern neigten, desto mehr wurde mir klar, dass es andere Kriterien sein mussten. Beispielsweise die eigene Angst vor dem Tod und damit die Angst vor der Freiheit (Erich Fromm). Die eigene Konsequenz und damit verbunden, die eigenen Prinzipien und wie man wirklich zu ihnen steht. Auch und gerade in Krisenzeiten, d.h. sie eben nicht nur als Wohlfühl-Etikett vor sich her zu tragen (was besonders „woke Identitätslinke“ gerne machen), und bei dem ersten Anzeichen von äußerem Druck (Kein Restaurant, kein Urlaub etc.), sie in den Lokus zu befördern.
    Es ist auch auffällig, dass vor allem studierte und gutsituierte Menschen, schnell und gerne dem Corona-Narrativ gefolgt sind („Aber die Wissenschaft!“), und einfache Taxifahrer relativ schnell den Braten gerochen haben. Es ist also auch keine Bildungsfrage. Für mich ist es am Ende eine Melange von Lebenserfahrung, Charakterstärke, Menschenverstand und Herz. Denn ich erlebe vor allem Menschen in meinem Umfeld – die mit sich selbst und ihrem Leben schon immer unzufrieden waren, die nicht in ihrer Mitte sind – die sehr gierig alle Corona-Regeln aufgesaugt haben: „Maaaaaaaskeeeee!“

    Danke für diesen klugen Kommentar – SO muß eine zivilisierte Debatte aussehen!
    Und meinem geschätzten Publikum darf ich anraten, Epikurs „ZG Blog“ mit einem Besuch zu beehren. KS

  5. 5

    Danke, Kay. Ich musste die konkret schon vor Jahren nach ihrem bürgerlichen Turn zur wokeness abbestellen. Würde mich wundern, wenn ausser Dir noch andere Ehemalige aus dem Umfeld noch denken können. Ich mache übrigens gern bei der Diskussion zum Klassenbewusstsein mit, allerdings würd ich mich auch freuen, wenn ihr im Gegenzug 1-2 meiner Texte (leider nur auf englisch) zur Kenntnis nehmen könntet. Z.B. hier:
    https://www.zora.uzh.ch/id/eprint/193388/1/elena-louisa-lange-and-joshua-pickett-depaolis.pdf

    Liebe Elena, ich habe Ihren Text mit Gewinn gelesen und empfehle ihn dringend weiter. Daher will ich einmal – EINMAL! – eine Ausnahme machen und Ihren Kommentar veröffentlichen, obwohl er gegen die Hl. Kommentarregel Nr. 3 verstößt. KS

  6. 6

    Lieber Herr Sokolowsky
    Eine Freude, dass man bei Ihnen wieder kommentieren kann, heute bin ich sogar nüchtern.
    Ebenfalls schön, sich an brillant formulierten Gedanken zu erfreuen, auch wenn man sie nicht alle teilt.
    Sicher halten die Impf-„Skeptiker“ als Popanz her, um eine Politik zu rechtfertigen, die von Gestalten betrieben wird, die genauso niederträchtig und lächerlich sind, wie es keiner so genial beschreibt wie Sie.
    Bestrafungsfantasien gibt es auch bei autoritären Charakteren, die sich selbst der radikalen Linken zuordnen würden. Wenn ein Antifa davon fantasiert, Nazis mit dem Baseballschläger zu Brei hauen zu wollen, ist Vorsicht geboten. Nicht weil es schade um den Nazi wäre, wer aber von Baseballschlägern, Schlagstöcken o.ä. träumt, ist in der Regel eine arme Sau, egal wie hehr die Ziele sind. Das ändert allerdings nichts daran, dass alle Nazis ekelhaft sind und die meisten Impfgegner mindestens Trottel (oder manchmal auch Nazis). Palmer ist indiskutabel und seine Kontrahentin ist auch nicht ganz hugo („Gentherapie“). Die Corona-Impfung bedeutet natürlich nicht gerade die Lösung der grossen Menschheitsprobleme, weshalb sie jemand ablehnt, entzieht sich trotzdem meinem Vorstellungsvermögen. Die Zeiten sind doch schon gegenaufklärerisch genug, wer da noch einen draufsetzt, hat nur bedingt Verständnis verdient.
    Dessen ungeachtet, Forderungen, die ich gerne unterschreiben würde, hätte meine Unterschrift eine Bedeutung:
    Impfe für alle, keine Patente
    Keine Maskenpflicht für Kinder
    Keine Grenzschließungen, egal ob epidemiologisch oder rassenhygienisch begründet, sondern globale Niederlassungsfreiheit (Seit wann halten sich Viren an Staatsgrenzen?)
    Cuba Sí, Schweden vielleicht, Deutschland njet
    Champagne Socialism als Realität für alle, nicht als Schimpfwort

    Danke für den Kommentar, lieber Herr Schett! In den meisten Punkten sind wir uns tatsächlich einig. In dem einen, der zurzeit Tausende auf die Straßen treibt, aber ganz und gar nicht. Die Entscheidung für oder gegen einen Impfstoff oder sonst irgendeine medizinische Behandlung geht niemanden als den Patienten und seinen Arzt etwas an. Was Sie sich nicht vorstellen können, ist für andere von existenzieller Bedeutung: Das gilt es zu respektieren. Zumal bei medizinischen Präparaten, die leider nicht halten, was uns vor einem Jahr versprochen wurde. KS

  7. 7

    Sehr geehrter Herr Sokolowsky,
    es freut mich, daß Sie wieder Kommentare zulassen, denn ihre Kommentatoren hatten in der Regel auch sehr Geistvolles zu sagen. Auch freut mich, daß Sie zu den sehr, sehr wenigen ”Linken“ gehören, die ihrem Anspruch, für die Freiheit der Menschen einzutreten, treu geblieben sind.
    Nun zum Klassenbewußtsein: Zur ”Arbeiterklasse“ sollte man mittlerweile das gesamte untere Drittel der Gesellschaft zählen, unabhängig von der Art des Arbeitgebers. Also auch die Staatsbediensteten der unteren Ränge, obwohl sie keinen Profit erwirtschaften, sondern von von anderen geschaffenem Profit bezahlt werden. Ebenso die allein arbeitenden Selbständigen und die kleinen Arbeitgeber (oft Handwerker), die vielleicht einen Lehrling und nur einige wenige Angestellte haben. Diese ”Kapitalisten“ zu nennen, fällt mir schwer, auch wenn sie formal welche sind. Die Profitraten sind mittlerweile so tief gefallen, daß es riesiger Geldmengen bedarf, um nennenswerten Gewinn zu machen. Da können diese kleinen ”Unternehmer“ einfach nicht mehr mithalten. Ich zähle zur Arbeiterklasse jeden, der darauf angewiesen ist, sein Leben lang täglich für den Lebensunterhalt zu arbeiten. Auch dann, wenn er selbständig ist, oder sein Geld vom Staat bekommt. Die Lebensbedingungen all jener sind, verglichen mit denen der Herrschenden, einfach zu ähnlich, um da verschiedene Klassen zu erkennen.

    Lieber Harry Beau, erst mal Glückwunsch zu Ihrem wirklich witzigen Pseudonym! Und dann meinen Dank für Ihre Definition des zeitgenössischen Proletariats. Mir leuchtet sie jedenfalls ein. KS

  8. 8

    Lieber Kay Sokolowsky,
    nicht, daß ich denke, Sie haben diese Zeit nötig, um zur Höchstform aufzulaufen, aber daß Sie es tun, das macht sie sehr viel erträglicher, dafür möchte ich von Herzen danken. Wie konnte es so weit kommen, wer stellt sich die Frage nicht. An der These von Andreas Schmid ist sicher einiges dran, nur, das Wort Klassenbewusstsein war für mich schon immer ein Reizwort, da muss auch ich polemisch werden:
    Klassenbewusstsein, wie soll das funktionieren? Was soll das sein? Eine Menschenklasse? Ein Kampfbegriff? Und wozu dient der? Um aufzusteigen. Ob in Religion oder Politik oder Gesellschaft, der Mensch will immer nach oben. Bewusst sein was er ist kann er nicht, will er nicht. Sein wollen. Sobald sich ihm die Chance bietet wird er zum Verräter. Verrät sich selbst, verrät die anderen. Sicher, die meisten richten sich ein irgendwie, da wo sie sind, finden sich ab, aber vor allem: lassen sich abfinden. Und auch wenn das womit immer weniger wird: anderen geht es ja noch schlechter also geht es mir ja noch gut. Das funktioniert. Presse und Medien manipulieren herrschaftsorientiert? Wissen wir, aber woanders sind sie noch weniger frei. Wir haben noch die beste. Krankenhäuser und Arztpraxen sind und werden zunehmend gewinnoptimierend ausgerichtet? Wissen wir, aber wir haben die beste Gesundheitsversorgung der Welt. Daß die in Kuba besser ist kann doch gar nicht sein. Klassenbewusstsein?
    Ein Beispiel: der Lech. Vom Klassenkämpfer zum Präsidenten und Friedensnobelpreisträger, der seine Kinder nach Amerika auf eine Privatschule schickte und letztes Jahr seine Pleite verkündete wie jeder Lottomillionär. Nicht wenige Polen sagen heute, der ist doch eine gekaufte Marionette von Anfang an. Weil als Vorbild will den sich keiner mehr denken. Und noch so einen will auch keiner haben.

    Tatsächlich ist ein Begriff wie „Klassenbewußtsein“ mit der ziemlich komplexen Melange, die das menschliche Bewußtsein ausmacht, nicht ohne weiteres bzw. Gewalt in eins zu setzen. Ich vermute, daß Klassenbewußtsein erst in der äußersten Not und Bedrängnis all die anderen Interessen und den täglichen Selbstbetrug überwiegt. Im übrigen halte ich mich an Ursula K. LeGuins große Erkenntnis: „Ihr könnt die Revolution nicht MACHEN. Ihr müßt die Revolution SEIN.“ KS

  9. 9

    Hmm. Seltsam. Mein erster Kommentar ist wohl im digitalen Nirvana verschwunden?
    @Andreas Schmid (1)
    Ich vermute, es hat wenig mit politischen Lagern, Bildung oder Klassenbewusstsein zu tun. Die Linie trennt sich zwischen Menschen mit Prinzipien und Menschen, die es gerne bequem haben. Zwischen Menschen, die innerlich ruhen und Menschen die chronisch unzufrieden sind und einen Sündenbock brauchen. Zwischen Menschen mit Herz (Thema „Kinder“) und Menschen, die außer sich selbst, nichts mehr wahrnehmen können. Zwischen Menschen, die ihre Freiheit lieben und Menschen, die Angst vor dem Tod haben.

    Nein, Ihr erster Kommentar ist nicht verschwunden; ich hatte nur vergessen, auf den Button „Freigeben“ zu klicken; pardon! KS

  10. 10

    Lieber KS, die Massnahmen sind eben nicht klassenübergreifend, sondern nehmen die herrschende Klasse, wenig überraschend, aus. Ich stimme eher mit dem erweiterten Klassenbegriff des @Harry Beau überein, aber ich halte deswegen den Klassenkampf nicht für obsolet. In Zeiten der „Globalisierung“ und einer unfassbaren Kapitalkonzentration dehnt sich die Klasse der Unterdrückten bis in die obere Mittelschicht aus. Sehr viele Menschen, selbst unter denen, die man als vermögend bezeichnen könnte, hätten Grund sich gegen Überwachung und Kontrolle zu wehren. Gegen Enteignung und Raub an ihnen selbst und dem Planeten. Eine Klasse @Udo Theiss ist definiert durch gleiche Interessen, resultierend aus der gleichen Position im Machtverhältnis.
    Unsere Zukunft ist inklusiv, nachhaltig und individualisierend, oder sie findet nicht statt. Es gibt Kräfte, die dem zuarbeiten, sie alle bilden eine Klasse im modernen Verständnis. Und es gibt Kräfte, die auf Konkurrenz, Besitz und (zu unterdrückende) Masse setzen. Das ist der Klassenfeind der Erstgenannten. Wenn man das nicht versteht, nützt alles „Herz“ nicht (@epikur mit der Versicherung der generellen Übereinstimmung), noch die lauterste Absicht.

    Lieber Andreas Schmid, danke für diese bedenkenswerte und scharfe Präzisierung Ihres Begriffs von „Klassenbewußtsein“. Ich enthalte mich eines Kommentar-Kommentars, weil ich hier sowieso immer das letzte Wort haben werde. – Aber meine lieben Leser und werten Leserinnen sollen sich bitte nicht hüten, weiter zu debattieren! KS

  11. 11

    Sehr geehrter Herr Sokolowsky,
    zu Ihrem furiosen Text und der facettenreichen Debatte möchte ich eine kurze Anmerkung machen:
    Daß die Parteien, die historisch die Interessen der Arbeiterklasse respektive der Lohnabhängigen vertraten oder zumindest sie zu vertreten vorgaben, dies in der aktuellen Situation explizit nicht tun, ist keine brandneue Entwicklung; spätestens mit dem Einsetzen der neoliberalen Konterrevolution in den Siebzigern begann die Metamorphose der (im weitesten Sinne) Sozialdemokratie zu einem von Opportunisten und Bürokraten besiedelten Karrierevehikel im Dienste des (Monopol-)Kapitals, die mit den Regierungen Blair, Schröder und Hollande abgeschlossen wurde.
    Die hierzulande kurz aufgeflammte Diskussion über Didier Eribons Buch „Rückkehr nach Reims“, in welchem er die Desertion der Arbeiterklasse zum Front National reflektierte, wurde m. E. kaum ernsthaft geführt, geschweige denn, daß auf Seiten der „linken“ Parteien Konsequenzen daraus gezogen wurden (wenn doch, dann waren es meist die falschen). Groteskerweise gilt mittlerweile auch in den Parteien, die sich das Etikett „links“ anheften, populistische Politik von den und für die populären Klassen als etwas mindestens Unschickliches – gute Löhne, auskömmliche Renten und bezahlbarer Wohnraum dienen nun mal nicht der Weltrettung und der zu diesem Zwecke herbeigewünschten „Transformation“.
    Am Rande: Das politische Projekt „Die Linke“, welches aus PDS und WASG als Reaktion auf den Ausverkauf der Sozialdemokratie gegründet wurde, ist mit der schmählichen Politik des Corona-Burgfriedens, welche die Partei vertritt, ans Ende gekommen und kann als „erledigt“ zu den Akten genommen werden.
    Viele Grüße,
    Frank Graf

    Lieber Frank Graf – ich hatte, bevor ich den „Abfall“ wieder für Kommentare öffnete, die gräßlichsten Vorstellungen über das, was kommen könnte. Und nun kommen Sie: mit einer Zustandsbeschreibung der amtlich anerkannten Linken, die so knapp und exakt, so kundig und kraftvoll mir noch keiner hingelegt hat.
    Um es gradraus zu sagen: Ihr Kommentar ist genial und sollte gedruckt werden. Herzlichen Dank dafür! KS

  12. 12

    Lieber Andreas Schmid,
    das sind nicht Ihre ersten Kommentare hier die mir aufgefallen sind und ich dachte, wow, von dem Mann kannst du auch noch was lernen. Kay Sokolowsky hat zu einer Diskussion aufgerufen zu Ihrer Überzeugung vom Klassenbewusstsein und ich dachte, das könnte spannend werden. Und habe meinen Kommentar geschrieben. Und dann lese ich die ganzen anderen, nicht weniger klugen wie die Ihren, und ja, auch wenn ich gelernt habe, auf Missverständnisse mit Humor zu reagieren, ich fühlte mich nach Ihrer Belehrung, die Ihnen meine Worte abgenötigt haben: „Eine Klasse @Udo Theiss ist definiert durch gleiche Interessen, resultierend aus der gleichen Position im Machtverhältnis“ kurz beleidigt. Zumal diese Definition eine anmaßend willkürliche ist: ich teile äußerst selten die Interessen derer, die mit mir auf der gleichen Position im Machtverhältnis stehen.
    Aber macht nix, Sie stehen, was das Denkvermögen angeht, um Klassen höher als ich, diskutiere ich eben weiter mit anderen und labe mich erhebend an den hier so brillanten zur Schau gestellten Weltanschauungen und Erkenntnissen.

    Lieber Udo Theiss, ich bin sicher, daß Herr Schmid Sie nicht beleidigen wollte. KS

  13. 13

    Lieber Herr Sokolowsky,
    es ist mir immer wieder eine Freude bei Ihnen zu lesen. Auch wenn wie hier das Thema ein trauriges ist, aber Ihre brillianten Formulierungen machen Spaß.
    Wie die sog. Linke auf den Hund gekommen ist wird eindrucksvoll (besonders seit Corona) in konkret vorgeführt. Man nehme nur die Ausgabe 01/22. Die Herren Quadfasel, Lugauer und Bittner kotzen sich in totalitärer Manier aus, dass einem schlecht wird. Unter links verstehe ich menschenfreundlich, ohne Ausgrenzung, gegen jede Unterdrückung. Kracher und Fischer haben den Anfang gemacht mit ihrem Zerocovid-Wahn und diese „linken“ Autoren sind nicht in der Lage die Tatsachen (Thema Corona/Impfpflicht) zur Kenntnis zu nehmen. Konkret ist nicht mehr lesbar. Umso besser zu wissen, dass ich hier und noch bei einer handvoll anderer Autoren Geistreiches und Herzerwärmendes lesen kann.
    Mit freundlichen Grüßen,
    Stefan Karl

    Lieber Stefan Karl, ich bedanke mich herzlich für Ihr mehr als freundliches Lob!
    Da ich weiterhin (und überzeugt) für KONKRET schreibe, kann ich Ihre Totalablehnung des Blatts natürlich nicht teilen. Auf neue, kluge Texte Jörg Kronauers oder Felix Klopoteks z. B. freue ich mich jedes Mal.
    Daß ich mich über die Pamphlete einiger anderer Autoren, um es euphemistisch zu sagen, wundere, kann ich allerdings nicht bestreiten. Ich werde mich beizeiten dazu äußern, vor allem zu einem Pamphletisten, der mir schon lange vor Corona als sagenhaft großkotziger Schaumschläger aufgefallen ist. Sein Name steht in Ihrer Liste. Aber zu diesem Ärgernis, wie gesagt, bei anderer Gelegenheit mehr. KS

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