Archiv für die Abteilung 'Adventskalender'

Der verhexte Weihnachtsmarkt

Donnerstag, 25. Dezember 2014 1:00

Meinem Freund Sönke gewidmet, dessen Geburtstag gestern
in weiten Teilen der Welt festlich begangen wurde.
(Nie wieder will ich Dir vorzeitig gratulieren, o heilige Vielfaltigkeit!)

Aus_dem_Muensterland_Aufmacher_(c)_Kay_SokolowskyVielleicht hätte Richard nicht so spät die Betriebsfeier verlassen sollen. Vielleicht wäre es klüger gewesen, keinen Punsch zu trinken – jedenfalls nachdem Lehmann, der Witzbold, eine Buddel „Captain Morgan“ in die Schüssel gekippt hatte, „zum Nachwärmen, hrrrg, hrrg“. Und vielleicht sollte Richard es sich endlich angewöhnen, die Geschenke nicht erst an Heiligabend zu besorgen. „Nun“, murmelte er, etwas entsetzt sein Spiegelbild begutachtend, „man kommt aus seiner Haut nicht raus.“ Richard hätte freilich einiges dafür gegeben, aus dieser Haut, die nach Fuselöl und den Zigarren des Chefs stank, herauszukommen.

Eine Wechseldusche und zwei Aspirin später saß er in der U-Bahn und fragte sich, woher das lange blonde Haar auf seinem Pulli stammte. Yvonne? Katja? Tief in Richards schwerem Kopf steckte eine Erinnerung an Gefummel und Geknutsche, wollte aber nicht heraus. Richard wurde klamm zumute. Wahrscheinlich hatte er bloß eine oder beide Trainee-Tussis zum Abschied brav umarmt. Hoffentlich! Sonst könnte er sich im neuen Jahr auf ein Gerede gefaßt machen, das bis zur nächsten Weihnachtsfeier der Reederei nicht verstummen würde. Immerhin hielt der alte Scharnagel größere Stücke auf ihn als auf die eigenen Söhne.

Richard beschloß, eine Station früher auszusteigen, um sich auf dem Weihnachtsmarkt vorm Rathaus ein Katerfrühstück zu genehmigen. Er griff in die linke Manteltasche, in der die Geschenkliste steckte, und sah dann auf seinen Citizen-Chronometer (wasserfest bis 50 Meter). Ist noch Luft nach oben, dachte er, um sich selbst zu beruhigen, und dann, am Ausgang, sah er gleich gegenüber, über hundert Köpfe mit wechselnden Körpern hinweg, das Schild von „Christkindel’s Glühweinhaus“. Das falsche Apostroph störte Richard nicht. Er war in Rechtschreibung noch nie eine Leuchte gewesen.

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Abteilung: Adventskalender, Director's Cut, Erzählungen | Kommentare (0) | Autor:

Vereins-Amt. (Für Michael Q.)

Donnerstag, 11. Dezember 2014 23:14

Kohlmeisenschwarm_(c)_Kay_Sokolowsky_01

Kohlmeisen schrein

Und taumeln kurzen Flugs zum Ast:

Bald wird es schnein –

Auch wenn’s euch gar nicht paßt!

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Abteilung: Adventskalender, Lieder ohne Werte, Per sempre addio | Kommentare (0) | Autor:

Alle Jahre bieder (6)

Sonntag, 29. Dezember 2013 0:33

Vorbei, erledigt, geschafft – endlich ist auch diese Weihnacht überwunden! Wieder hat niemand bekommen, was er sich wünschte, aber dafür haben alle gekriegt, wovon sie nie träumten. Aaa-ach!

Nächstes Jahr versuchen wir’s dann wieder wider jede Erfahrung und besseres Wissen. Eventuell kaufen wir nicht so viel Fleisch fürs Fondue und auch die Packung Lebkuchen-Spezialitäten bleibt im Laden. – Scheiß, natürlich werden wir erneut alles vergeigen! Denn was Weihnachten bedeutet und was wir daraus machen: Das sind zwo Paar Stiefel, die so gut zusammenpassen wie die Nordmanntanne und der Ständer für den Christbaum.

Darum in der Nachlese zum diesjährigen Jesu-Geburtstags-Beschiß einige besinnliche Bilder vom mit Abstand weihnachtlichsten Vorgarten in Hamburg-Osdorf. Wobei mein geschätztes Blog-Publikum gern mitraten darf, was das hier ist:

Ein Guantánmo für Weihnachtsmänner?

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Abteilung: Adventskalender, Bored beyond belief, Unerhört nichtig | Kommentare (1) | Autor:

Alle Jahre bieder (5)

Samstag, 21. Dezember 2013 20:55

„Was soll denn das, also bitte“: So murrt und möhrt‘s im Publikum (bilde ich mir ein), das zwar meistens meiner Meinung, aber nicht so glücklich ist, wenn ich fiese Dinge verbroite öber dö Hoilige Woihnacht. „Nur die Ruhe“, erwidere ich nun, „ich moin‘s doch gar nicht bös!“ Außerdem geht es immer noch schlimmer.

Den Beweis führt Eric Idle, der sowohl ein sehr großer Komiker ist als auch ein höchst durchtriebener Musikparodist. Schwer vorstellbar, daß er nicht irgendwann auch mal eine Satire auf den Weihnachtsliederdreck eingesungen hätte. Und, siehe!, Idle hat. Aber wie! Sein „Fuck Christmas“ aus dem Jahr 2006 ist gleich allen großen Parodien knapp davor, selbst ein Evergreen zu werden. Also, bitte – sitzen machen und mitsingen, sobald die Eröffnungstakte von „Jingle Bells“ verklungen sind. Denn dann passiert etwas völlig anderes. (Die entzückende Video-Collage hat Humberto Videla angefertigt.)

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Abteilung: Adventskalender, Unerhört nichtig | Kommentare (1) | Autor:

Alle Jahre bieder (4)

Mittwoch, 18. Dezember 2013 21:11

Élégie du solstice*

Du, Geist der Weihnacht, feuchten blauen Auges
Den Blick gehoben hin zu einem Himmel,
Aus dem man dich gerissen hat, erniedrigt
Und aufgeblasen, schnödes Instrument
Von Krämergier und Abgeschmack, gezwungen,
Dich selbst zur Schau zu stellen,

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Abteilung: Adventskalender, Bored beyond belief, Lieder ohne Werte | Kommentare (0) | Autor:

Alle Jahre bieder (3)

Dienstag, 17. Dezember 2013 2:26

So wie die Welt mit jedem Jahr globaler Marktwirtschaft immer schöner und gemütlicher wird, so wird auch und erst recht mein Deutschland immer heimeliger, seit es eine Agenda hat sowie einen zuverlässigen Haufen Weihnachtsmänner in Politik und Medien, Wirt- und Wissenschaft.

Denn was wäre die Heilige Nacht, stünden nicht an jeder Eck Leute, die kein Dach über dem Kopf finden? Richtig: traditionsfeindlich – unchristlich wäre sie! Es muß erbärmliche Gestalten geben, damit das Erbarmen nicht ins Leere zielt.

Darum ist die folgende Meldung aus dem MieterJournal 4/2013 mit Abstand das Weihnachtlichste, was ich in diesen Adventstagen zu lesen und zu sehen bekommen habe: „In Deutschland waren im Jahr 2012 rund 284.000 Menschen ohne Wohnung. 2010 lag ihre Zahl noch bei 248.000. Für (…) 2016 prognostiziert die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe einen weiteren Anstieg um circa 30 Prozent auf dann 380.000 Menschen.“

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Abteilung: Adventskalender, Kaputtalismus | Kommentare (2) | Autor:

Alle Jahre bieder (2)

Sonntag, 8. Dezember 2013 14:51

Die Resonanz aufs Preisausschreiben im Blogpost vom 7. Dezember war überwältigend – Danke, merci, gracias, Bussi: Ihr wart GROSSARTIG!

Bedauerlicherweise hat von abertausend Einsendern nur ein einziger die, zugegeben, höchst anspruchsvollen Gewinnbedingungen erfüllen können. Und zwar sogar mit klassischer Formvollendung und luzidestem Humor. Gratulation an (Gong): Gert Ockert.

Ich weiß nicht viel über diesen Mann, außer daß er hin und wieder im kommunistischen Kampfblatt Konkret knorrig kolumniert. Angeblich lebt Ockert in Riechweite der Deutschen Bucht und besitzt die europaweit größte Sammlung von Pornographie aus dem Fin de siècle. – Nun ja, Gerüchte!

Doch nun will ich Sie nicht länger auf die Streckbank schnallen. Hier ist er, der preiswerte Vierzeiler von (Doppelgong):

Gert Ockert

Adventsregel
Soll Weihnachten sich wirklich lohnen,
besorg zwei Säcke Weinbrandbohnen.
Sodann verbrenne einen Strohstern
und bleib besoffen bis an Ostern.

Photo: Petr Kratochvil (via publicdomainpictures.net) ([1])
[CC-BY-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/3.0)], via Wikimedia Commons

Abteilung: Adventskalender, Bored beyond belief, Lieder ohne Werte, Unerhört nichtig | Kommentare (1) | Autor:

Alle Jahre bieder (1)

Samstag, 7. Dezember 2013 0:46

Dinge gibt es, da macht uns keiner was vor, da haben wir den Zinken vorn, da können alle anderen gepflegt die Schnauze halten – deutsche Autos, deutsches Bier, deutsche Wurst und natürlich:


Dieses Prachtstück von einem Tonträger aus, vermutlich, den frühen Siebzigern, gepreßt im Auftrag des mittlerweile entschlafenen Labels, Entschuldigung: Musikvertriebs „tt Record“ lachte mich aus dem Grabbelkasten meines Lieblingsramschladens an und war mir selbstverständlich einen vollen Euro wert. Schon der Titel in nordmanntannengrüner Fraktur ist annähernd unbezahlbar und das Photomotiv eine unmöglich zu vergütende Lektion in Kitsch und Kotz.

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