Archiv für die Abteilung 'Director’s Cut'

Nullenquartett (1): Bernard-Henri Lévy

Freitag, 21. Oktober 2022 0:25



Zurecht haben sich einige Freunde des „Abfall“ bei mir beschwert, daß hier seit vielen Wochen ein Stillstand herrscht wie im Kopf von Annalena Baerbock.
Wohl habe ich für meine Bloglosigkeit Gründe, die mehr sind als Ausreden, aber das ändert nichts am Zustand. Und ich bin ja selber nicht glücklich damit. Um wieder etwas Leben in die Bude zu bringen, habe ich deshalb aus dem Manuskriptarchiv vier polemische Porträts, besser: Vignetten gekramt, die in den vergangenen zwanzig Jahren entstanden und mir, wie ich glaube, wohlgeraten sind. Sie liefern außerdem den Nachweis, daß – Kim von der Kimme hin, Luisa Schlaubauer her – die qual.mediale Aufblähung nichtiger Figuren zu Personen von welthistorischem Rang keine Erfindung unserer Neuestzeit, sondern seit je der Normalfall ist und die Angesagtheit eines Kopfes in direktem Zusammenhang mit seiner Hohlheit steht. Immer.
Den Anfang macht eine Glosse, die ich für KONKRET
5/2011
verfaßte. Einige neunmaldumme Lumpen aus der „Bahamas“-Rumpelkammer unterstellten mir seinerzeit antisemitische Motive. Sie, liebe Leserin, werter Leser, dürfen raten, wie die Spinner ihren Vorwurf begründeten – ich bin gespannt, ob Sie was finden werden.
K. S.

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Ein Bombentyp

Wichtigtuerei ist ein unschöner Charakterzug, an Häßlichkeit nur übertroffen von Heuchelei und Rechthaberei, aber der eine kommt selten ohne die anderen. Der Freundeskreis des Wichtigtuers zeichnet sich durch Überschaubarkeit aus, denn er hat keine Freunde im engen Sinn, bloß Claqueure und Groupies. Ein Vertrauter, der ihm die Meinung geigt, fehlt weit und breit. Aber das macht dem Wichtigtuer nichts aus, denn er kennt ja nur eine Meinung, die zählt, und zwar die eigene. Daß er grundsätzlich eine Ansicht vertritt, die von den meisten geteilt wird, irritiert ihn übrigens nicht, geht er doch davon aus, die Masse richte sich nach seiner Pfeife aus, statt er, der Pfeifenheini, sich nach ihr.

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Abteilung: Director's Cut, Qualitätsjournalismus, Undichte Denker | Kommentare (8) | Autor:

Ein Oster-Lied

Sonntag, 17. April 2022 0:06


Eigentlich müßte heute hier ein alberner Sketch mit zwei bemalten Hühnereiern erscheinen. Weil mir aber vor lauter Welt- und Wortverdruß kein Stück einfallen will, das es wert wäre, veröffentlicht zu werden, gönne ich meinen Osternasen ein Sabbatjahr und verweise die Freunde der „Happy Eggheads“ auf den insgesamt rundesten Auftritt des Duos.

Trotzdem soll der Ostersonntag 2022 nicht spurlos an bzw. in meinem Weblog vorübergehen. Vor genau zehn Jahren hatte ich für die „Wahrheit“-Seite der „Taz“ eine Parodie verfaßt und anschließend völlig vergessen, die ich jüngst beim Wiederlesen zu meiner eigenen Überraschung immer noch witzig und wohlgeraten fand. Vielleicht teilen Sie meine Einschätzung (zumal ich die Geschichte sanft aufpoliert habe).
K. S.

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Sceedlebees Nacht
Scrabbleton war tot, damit wollen wir anfangen. Ein Zweifel darüber kann nicht statthaben, schließlich habe ich es geschrieben. Scrabbleton also war tot wie ein Gummifuß. Ich will nicht etwa sagen, daß ein Gummifuß etwas besonders Totes für mich hätte. Ich selbst möchte fast zu der Meinung geneigt sein, ein Weckglasring sei das toteste Stück Kautschukwerk auf der Welt. Aber die Weisheit unserer Ahnen liegt in dem Gleichnisse, und meine unheiligen Hände sollen sie dort nicht stören, sonst wäre es ums Vaterland geschehen.

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Abteilung: Director's Cut, Erzählungen | Kommentare (1) | Autor:

Picknick, Blitz

Dienstag, 15. März 2022 22:04


Egal was, bloß nichts mit Corona – das wünschte sich der „Abfall“-Leser Juri Nello, als ich ihm für einen besonders liebenswürdigen Kommentar einen Wunsch gewährte, und zwar nach einem gut abgehangenen KONKRET-Artikel aus meiner Keucherkammer. Nello wurde leider nicht konkret, doch ich meine, etwas gefunden zu haben, das sein Begehr befriedigt („mindestens eine Dekade“ alt, „nicht an Aktualität eingebüßt“).
Das Stück ist sogar mehr als zwei Dekaden alt, und es fällt trotzdem nicht aus unserer „Großen Zeit“ (Karl Kraus).

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Abteilung: Der schreckliche Iwan, Director's Cut, Litterarische Lustbarkeiten | Kommentare (3) | Autor:

Janusgaben (2)

Samstag, 1. Januar 2022 1:00

Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern des „Abfall“ ungeachtet ihrer Herkunft und ihres Impfstatus ein glückliches neues Jahr. KS


Bartlebys Konsequenz
Nichts mehr tun, nicht einmal darüber Auskunft geben, warum man nichts tut, sich weder fügen noch wehren und trotzdem in gar nichts sich fügen und alles abwehren: Das ist die äußerste Verweigerung, und ihr Held heißt seit mehr als anderthalb Jahrhunderten, seit Herman Melville ihn erschuf: Bartleby. Der junge Mann – farblos ordentlich, mitleiderregend anständig, rettungslos verlassen – wird als Kopist in einer Anwaltskanzlei an der Wall-Street angestellt und erledigt zu Beginn auch brav seine trostlose Arbeit: Doch er schrieb immerfort stumm, bleich, mechanisch. Am dritten Tag seiner Beschäftigung allerdings entzieht er sich erstmals einer Anordnung, und zwar mit einer der berühmtesten Phrasen der Weltliteratur: I would prefer not to.

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Abteilung: Director's Cut, Litterarische Lustbarkeiten | Kommentare (6) | Autor:

Janusgaben (1)

Freitag, 31. Dezember 2021 0:01

Ich mag das vergehende Jahr in meinem Blog nicht mit der elenden Seuche beenden, und ich möchte das neue nicht mit dem Alpdruck unserer Zeit beginnen. Lieber zeige ich Ihnen und mir zwei Geschenke an den alten Gott Janus, die ich mit der Bitte um Gnade auf seinen Altar lege. Es handelt sich um zwei Texte, die ich zum Besten zähle, was ich jemals schrieb. Heute, passend zum Datum, ein Nachruf, den ich selbst nicht wiederlesen kann, ohne daß mir die Augen schwimmen. Morgen ein kurzer literarischer Essay, der exakt so makellos, tiefgründig und erhellend ist, wie ich es mir für jeden meiner Essays – meistens vergeblich – wünsche. Ich hoffe, daß der Gott und zumal Sie Gefallen daran finden.
Und ich hoffe noch mehr, daß bald (bald!) wieder eine Zeit sein möge, in der ich mein Talent ausschließlich solchen Themen widmen kann, statt es in der Protokollierung des waltenden Wahnsinns zu erschöpfen. KS


Augenblicke

Man sieht Filme, und manchmal werfen sie einen Blick zurück.

Manchmal ist da ein Bild, das einen verfolgt bis in Träume hinein. Manchmal bleibt die Welt einfach stehen vor der Kamera, und die Welt wird zu Film, und danach bewegt sich die Welt anders als vorher, und das liegt daran, daß ein außergewöhnlicher Schauspieler mit einem raren Regisseur zusammentraf. Und manchmal ist da noch mehr, und das heißt Genie, und ein Bann liegt auf bestimmten Bildern, der sich nie wieder löst.

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Abteilung: Director's Cut, Moving Movies | Kommentare (1) | Autor:

Hashtag Baerplag

Mittwoch, 7. Juli 2021 18:50

Ich gebe es gerne zu: Die Plagiatsvorwürfe gegen die Möchtsogern-Schriftstellerin A. C. A. Baerbock bereiten mir diebische Freude und ich bekomme von diesem Mord an einem Ruf, der nie verdient war, nicht genug.

Mit der Autorin, die weder eigenständig denken noch formulieren kann, deren Liebe zu sich selbst so groß wie die zur Sprache klein ist, die politisch zu nichts taugt als zum Inbild der Hohlheit und ideologischen X-Beliebigkeit der Grünen sowie ihrer Wähler –, mit der hochauthentisch bildungs- und witzfreien Baerbock blamiert sich zugleich jeder, der ihre Kanzlerkandidatur vor nicht einmal drei Monaten begrüßte wie ein Feuerzeichen der Zeitenwende.

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Soko knows best

Montag, 18. Januar 2021 21:03

Es gibt zwei Kategorien von Menschen – die einen sind Besserwisser, die anderen wissen es besser. Zu welcher Kategorie ich mich selber zähle, können Sie, liebe Leserin, werter Leser, sich sicherlich vorstellen. Ich kann aber auch belegen, warum ich so furchtbar schlau bin. (Jedenfalls in Angelegenheiten der Trivialpolitik.)

Wie ich bereits bei anderer Gelegenheit ausführte, striche ich ein hübsches Taschengeld ein, wären Wetten auf Parteienpersonal legal. Wo amtlich zertifizierte Qual.journalisten sich – aus Dummheit und/oder Vermessenheit – regelmäßig mit Schmackes vertun, wenn es um parteipolitische Casting-Shows geht, liege ich in der Regel goldrichtig.

So nun auch im Fall eines Mannes, der so gerne König wäre, der immer & immer wieder die Fresse weit aufreißt und sich dabei immer & immer wieder verschluckt, kurz, Friedrich Merz.

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Abteilung: Director's Cut, Man schreit deutsh, Qualitätsjournalismus, Selbstbespiegelung, Sokolowsky anderswo | Kommentare deaktiviert für Soko knows best | Autor:

Lagerfeuer-Geschichten (2): Der Geisterball

Samstag, 18. Juli 2020 19:18



Martin Brühl haßte vieles an der Schule. Die Deutschdiktate bei Frau Wurm, die Bastelstunde mit Frau Harms, die Bande von Marlene Peltz, das Geschimpfe des Hausmeisters und die Ökokäsestullen, die seine Mutter ihm als Pausenbrot mitgab. Am leidenschaftlichsten, unerbittlichsten, hoffnungslosesten aber haßte er die Sportstunde am Dienstagmittag. Denn da wurde Völkerball gespielt. Und wenn es einen Jungen gab, der auf keinen Fall, der im Leben nicht „König“ beim Völkerball werden würde, dann hieß er Martin Brühl.

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