Spontane Trauerkundgebung für Harry Rowohlt in der Osdorfer Feldmark (Hamburg)
—- Kein Bär von geringem, sondern einer von eminentem Verstand hat sich leider, leider für immer in den Hundertmorgenwald zurückgezogen. Er verstand ungewöhnlich viel, zum Beispiel vom Geschichtenerzählen. Doch am meisten von der Sprache, aus der die Poesie zieht, was Sprache werden soll. Harry Rowohlt konnte gegen gewaltige Kleinigkeiten wie ein Satzzeichen polemisieren wie hierzulande sonst nur Gremliza und Henscheid. Und wahrte dabei stets einen warmen Ton, so, wie man es sich von einem großen Bären wünscht.
—Ich habe einige Male mit dem bedeutenden Mann geplaudert, nie sehr lange. Kollegial, weiter nichts. Und ich möchte mich jetzt backpfeifen dafür, Rowohlt nie gesagt zu haben, wieviel Spaß und Bewunderung mir seine Übertragungen der Robert-Crumb- und Gilbert-Shelton-Comics seit dreieinhalb Jahrzehnten bereiten, wie oft ich Wendungen daraus benutze, etwa diese: „Puha, der Kammerjäger muß auf die Pirsch!“ Versemmelt, Sokolowsky, setzen, sechs.
— BADEMEISTER(für sich). Sie haben es nicht im Griff. Sie sind zu schwach, —zuiweich.iDer Druck ist stärker als sie. Auf jeden Schluck Wasser, den —sie trinken, kommen zwei Löffel Harn. Was sie fressen, fällt hinten —verdoppelt raus. Und sie lassen es einfach plumpsen und sinken, —weg damit! Dabei lachen sie. Reden von Notdurft, voller Blase. —Schlappschwänze. Kretins. Was ihre Gleichgültigkeit anderen zufügt, —sollte sie selbst hundertfach heimsuchen. Ich … muß … Ich muß etwas —unternehmen, ich –! VEREHRER. Guten Tag! BADEMEISTER. Habe die Ehre! VEREHRER. Ich habe Sie dort stehen sehen, und ich dachte: ach, ein Bild —von einem Mann! BADEMEISTER. Oh … Oh! Dankeschön! Das höre ich nicht jeden Tag … VEREHRER. Schlimm genug! Wenn ich Sie sehe, dann denke ich … BADEMEISTER. Was! Entschuldigung: was? VEREHRER. Dann denke ich, daß Sie für einen gewißlich bescheidenen Lohn —jeden Tag mehr Gutes tun, als irgendsoein Aufsichtsrat im Leben könnte. —Und warum? BADEMEISTER. Weil Geld den Charakter verdirbt? VEREHRER. Ah, sehen Sie, deshalb sind Sie mir so sympathisch – man muß —mit Ihnen nicht über Selbstverständlichkeiten reden! BADEMEISTER. Sie machen mich ganz verlegen. VEREHRER. Gans verlegen? (Gelächter außerhalb der Szene.) BADEMEISTER. Okay. Ich hab um 16 Uhr Feierabend. Zieh bitte was —Schmutzabweisendes an. VEREHRER. Du bist mir aber ein Schlimmer!
OBERMAAT. Seht ihr das auch? Ich seh wohl nicht richtig. Seht ihr das nicht, —Kameraden?
BOOTSMANN. Was haben die denn hier verloren?
HEIZER. Gustav und seine häßlichen Bälger. Ausgerechnet jetzt. Wo Daisy —auch hier ist. Das wußte er doch, dieser Saftsack!
OBERMAAT. Daisy ist auch hier? Wo? Oh, da hinten. O je.
HEIZER. Solche Typen wie die brauchen wir gar nicht. Nicht an unserem See!
KADETT. Stimmt – die sind hier offensichtlich gans falsch. (Keine Reaktion.) KADETT(unverdrossen). Die sollten besser gans woanders sein. (In den Blättern lispelt der Wind.) KADETT(tapfer). Sonst werden wir gans böse. (Das Wasser schleckt an den Ufersteinen.) BOOTSMANN. Fertig?
KADETT. Ja. (Trotzig.) Gans und gar! Gans und gar!
DIE BRUDERSCHAFT(lacht wie nicht gescheit). Hast du den …! – Ich könnt mich —wegschmeißen! – Gans und gar – ein Hammerwitz! – Und ich dachte, —deriKleine hätts gar nicht drauf! – Gans … und … gar …! Ich … kann … —nicht … mehr!
GUSTAV(ruft). Reißt ruhig eure dreckigen Witze über mich und die Meinen! —IhriBanausen!
HEIZER. Was willst du eigentlich hier, du Lackaffe? Hier gibts keine Losbude.
BOOTSMANN. Und mit Wünschelruten grillen wir bestenfalls!
GUSTAV. Wir haben genauso für den Eintritt bezahlt wie ihr. Das ist kein —Privatgelände!
HEIZER. Du und bezahlt!
GUSTAV. Es war ein ehrlicher Gewinn bei einer Tombola.
HEIZER. Erzähl mal Daisy was von ehrlich!
OBERMAAT. Und paß auf deine Gamaschen auf, du Fatzke!
KADETT. Ha! Jetzt ist er gans still. (Es ist auch sonst still.) KADETT(unverzagt). Da ist er gans baff. (Man hört, wie Löwenzahnsamen zusammenprallen.) KADETT(nachdrücklich). Vielleicht will er es gans genau wissen. (Wassermücken sirren.) BOOTSMANN. Fertig?
KADETT. Ja … Voll und gans! Voll und gans!
DIE BRUDERSCHAFT(explodiert in Gelächter und Jubelgeschrei). Was hat er —gerade gesagt … Voll und gans? – Im Ernst? Was ein Spaß! – Dieser kleine —Scheißer tut immer so brav! – Und dann haut der so ein Ding raus! – —Gansinebenbei!
(Noch mehr Geschnatter, langsamer Vorhang, Gustav wendet sich ab.) —
— POSER 1. Ich glaub, da spannt einer.
POSER 2. Wo?
POSER 1. Da drüben.
POSER 2. Wo denn?
POSER 1. Nee, nicht da! – Da!
POSER 2. Wo „da“? Ach, da. Ach ja. Ja, seh ihn.
POSER 3. Und jetzt macht der auch noch Photos!
POSER 2. Ja ja, reg dich ab.
POSER 3. Bitte? Der knipst uns, und morgen holen sich auf der ganzen Welt —irgendwelche Notgeile einen auf uns runter!
POSER 2. Oh, komm, bild dir doch nix ein.
POSER 3. Sag mal, hast du was genommen? Der Spanner da filmt uns, und ich —soll mich nicht aufregen?
POSER 2. Genau.
POSER 3. Aber das ist nicht in Ordnung, so was. Das verletzt meine … meine …
POSER 2. Intimsphäre?
POSER 3. Ja! Janee, das nicht … Meine … meine …
POSER 2. Deine informationelle Selbstbestimmung?
POSER 3. Genau! – Meine was?
POSER 2. Das Recht auf deine Daten und wie sie verwendet werden.
POSER 3. Also darf ich dem Spanner ein paar aufs Maul hauen?
POSER 2. Ja. Aber mach die Kamera nicht kaputt.
POSER 3. Klar, ich weiß, Beweismaterial!
POSER 1. Nee, Quatsch, du Brathahn! Für das Teil kriegen wir einen Grünen.
DAISY. Nun sieh dir das an – alles belegt.
DONALD. Ach, bitte! Da ist noch Platz für eine ganze Fußballmannschaft.
DAISY. Ich bin aber nicht zum Fußballspielen hier. Du hast mir versprochen, —daß es total romantisch und kuschelig und so wird. „Nur du und ich, —die Sonne, der Wind und die Wolken, quak quak quak!“
DONALD. Ich finde, daß Du –
DAISY. Daß ich was? Mich nicht so haben soll? Den Schnabel halten? Grütze —schlucken?
DONALD. Wir können auch nach Hause gehen, wenn dir das lieber ist.
DAISY. Das würde dir so passen! Erst schleifst du mich mich hierher, und —kaum sind wir angekommen, willst du schon wieder abhauen? —Du mußt wohl wieder zu deinem Onkel? Dich zum Deppen machen —und nach irgendwelchen Schätzchen suchen!
DONALD. Schätzen …
DAISY. Was?
DONALD. Du hast „Schätzchen“ gesagt. Aber mein Onkel sucht nach richtigen —Schätzen.
DAISY. Als wüßte ich nicht, was ich sage – Schätzchen, jawohl! Ich kann mir —gut vorstellen, was ihr Filous treibt, wenn ihr unterwegs seid!
DONALD. Bitte, Schatz … Die gucken schon alle …
DAISY. Solln sie doch! Die haben hier eh nix verloren, diese Tagediebe! —Und sag nicht Schatz zu mir!
DONALD. Ja, Schätzchen.
Halbzeit in Karlsruhe, Spielstand null zu null – es sieht verdient schlecht aus für den Hamburger Sport-Verein. Aber man soll den Abend nicht vor dem Abpfiff loben. Feststeht jedenfalls, daß das Ende der Partie für Menschen mit der Raute im Herzen ein Desaster sein wird. Entweder weil sie, wie ich, ein weiteres Geeier des einst so glorreichen Vereins in der Bundesliga nicht ertragen würden. Oder weil sie, wie Uwe Seeler und andere von keiner Blamage Erschütterbare, es für ein Naturgesetz halten, daß der Haffau den 17ianderen Teams der Liga als Punktelieferant dient.
—Wie immer die Sache ausgehen wird, einen passenden Film dazu kann manibereits jetzt besichtigen, und zwar auf dem löblichen Weblog „Prinzessinnenreporter“. (Wo die einzigen Hochadligen zu Hause sind, deren Einsatz in der Fischfabrik bzw. als Laternendekoration ich nicht befürworte.) Dero Hoheit Marit Hofmann und ihr Leibphotograph Fritz Tietz haben nämlich einen gleichermaßen formschönen wie würdigen „HSV-Totentanz“ inszeniert; übrigens zu großem Teil vor der Kulisse jener Grabstätte, über die ich am vergangenen Donnerstag gar nicht so unfeine Reime veröffentlichte: —
Ein Karnivore wie ich fühlt sich inieiner Stadt wie Prag natürlich sauwohl. Noch schafft die Gallenblase brav weg, was ich ihrian Schwarte, Fett und Faser zumute, und verstopft bin ich weiterhin nur, wenn ich z. B. Textbrei von Halbgaren wie Sascha Lobo löffeln muß.
—Trotzdem hatten die Liebste und ich in der Mehlspeisenmetropole nicht immer Glück bei der Wahl des Restaurants. Fehlgriffe solcher Art kennen wir, seit wir uns kennen. Wir könnten Ihnen Geschichten erzählen …! Die Sie allerdings nichts angehen.
—An unserem letzten Abend in Prag wollten wir es unbedingt richtig machen und guckten betont skeptisch in die Lokale und auf die Speisekarten. Unweit der „Švejk“-Schwemme mit der Golem-Tür sahen wir dies im Fenster kleben: