Alle Jahre bieder (4)

Mittwoch, 18. Dezember 2013 21:11

Élégie du solstice*

Du, Geist der Weihnacht, feuchten blauen Auges
Den Blick gehoben hin zu einem Himmel,
Aus dem man dich gerissen hat, erniedrigt
Und aufgeblasen, schnödes Instrument
Von Krämergier und Abgeschmack, gezwungen,
Dich selbst zur Schau zu stellen,

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Alle Jahre bieder (3)

Dienstag, 17. Dezember 2013 2:26

So wie die Welt mit jedem Jahr globaler Marktwirtschaft immer schöner und gemütlicher wird, so wird auch und erst recht mein Deutschland immer heimeliger, seit es eine Agenda hat sowie einen zuverlässigen Haufen Weihnachtsmänner in Politik und Medien, Wirt- und Wissenschaft.

Denn was wäre die Heilige Nacht, stünden nicht an jeder Eck Leute, die kein Dach über dem Kopf finden? Richtig: traditionsfeindlich – unchristlich wäre sie! Es muß erbärmliche Gestalten geben, damit das Erbarmen nicht ins Leere zielt.

Darum ist die folgende Meldung aus dem MieterJournal 4/2013 mit Abstand das Weihnachtlichste, was ich in diesen Adventstagen zu lesen und zu sehen bekommen habe: „In Deutschland waren im Jahr 2012 rund 284.000 Menschen ohne Wohnung. 2010 lag ihre Zahl noch bei 248.000. Für (…) 2016 prognostiziert die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe einen weiteren Anstieg um circa 30 Prozent auf dann 380.000 Menschen.“

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Gute Fahrt, Hotte!

Sonntag, 15. Dezember 2013 18:06

Der alte Scheißkerl Tod und sein Lumpenkumpel Krebs haben Horst Tomayer umgebracht. Wenn ich nicht wüßte, daß Hotte ein ziemlich pathosfreies Verhältnis zu den letzten Dingen hatte, würde ich jetzt eine Liste von Namen hinschreiben, die schon seit vielen Jahren auf einen Grabstein gehören, während Horst Tomayer dort noch lange nicht stehen sollte. Sondern Hof hielte in einer Gaststätte seines Vertrauens, ein Freund den Freunden, ein Gerechter unter den Menschen, ein Großer.

Als Schlußreimer, Kolumnist, Komiker, Gelegenheitsphilosoph und Rampensau ebenso begnadet wie als Überlandradler, Mopedcrack, Nacktbader, Halbegläserbierbesteller und Steinpilzexperte, ist mir an Hotte dies besonders bewundernswert erschienen: Er hat nie falsche Rücksicht genommen, sich niemals den Mund verbieten lassen. Und stets die Richtigen beleidigt. Meine Güte, wird er fehlen!

Mir und sehr vielen anderen. Die Redaktion von Konkret gedenkt Horst Tomayers auf ihrer Website sowie im kommenden Heft. Kollege René Martens hat für die Taz einen gleichermaßen warmherzigen wie kenntnisreichen Nachruf verfaßt. Und ich denke, daß ich jetzt weinen sollte, auch wenn das Hotte nicht so gut gefallen hätte. Fare thee well, Horst, gute Fahrt, addio!

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Alle Jahre bieder (2)

Sonntag, 8. Dezember 2013 14:51

Die Resonanz aufs Preisausschreiben im Blogpost vom 7. Dezember war überwältigend – Danke, merci, gracias, Bussi: Ihr wart GROSSARTIG!

Bedauerlicherweise hat von abertausend Einsendern nur ein einziger die, zugegeben, höchst anspruchsvollen Gewinnbedingungen erfüllen können. Und zwar sogar mit klassischer Formvollendung und luzidestem Humor. Gratulation an (Gong): Gert Ockert.

Ich weiß nicht viel über diesen Mann, außer daß er hin und wieder im kommunistischen Kampfblatt Konkret knorrig kolumniert. Angeblich lebt Ockert in Riechweite der Deutschen Bucht und besitzt die europaweit größte Sammlung von Pornographie aus dem Fin de siècle. – Nun ja, Gerüchte!

Doch nun will ich Sie nicht länger auf die Streckbank schnallen. Hier ist er, der preiswerte Vierzeiler von (Doppelgong):

Gert Ockert

Adventsregel
Soll Weihnachten sich wirklich lohnen,
besorg zwei Säcke Weinbrandbohnen.
Sodann verbrenne einen Strohstern
und bleib besoffen bis an Ostern.

Photo: Petr Kratochvil (via publicdomainpictures.net) ([1])
[CC-BY-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/3.0)], via Wikimedia Commons

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Auch du heißt Winston Smith

Samstag, 7. Dezember 2013 23:54

Warum ist die Empörung der einheimischen Medien und Politiker über die Globalschnüffelei der NSA so verlogen? Weshalb scheint es, als habe Heribert Prantl von der SZ seit zwanzig Jahren den Kopf im eigenen Arsch stecken? Wieso ist Stern-Singer Hans-Ulrich Jörges ein echter deutscher Journalist? Aus welchen Gründen lohnt es sich, Francis Ford Coppolas Film „The Conversation (Der Dialog)“ von 1974 mal wieder bzw. endlich mal anzusehen? Und was notierte Adorno bereits vor 60 Jahren zu all dem Ungemach?

Die Antworten darauf finden sich in Kay Sokolowskys Glosse „Glasbürgerkunde“. Sie steht auf Seite 15 im Dezember-Heft von Konkret und kann nur auf bzw. gegen Holz gelesen werden.
Ein Trost: Dieser Hinweis ist kostenlos und interessiert die NSA kaum einen Dreck.

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Alle Jahre bieder (1)

Samstag, 7. Dezember 2013 0:46

Dinge gibt es, da macht uns keiner was vor, da haben wir den Zinken vorn, da können alle anderen gepflegt die Schnauze halten – deutsche Autos, deutsches Bier, deutsche Wurst und natürlich:


Dieses Prachtstück von einem Tonträger aus, vermutlich, den frühen Siebzigern, gepreßt im Auftrag des mittlerweile entschlafenen Labels, Entschuldigung: Musikvertriebs „tt Record“ lachte mich aus dem Grabbelkasten meines Lieblingsramschladens an und war mir selbstverständlich einen vollen Euro wert. Schon der Titel in nordmanntannengrüner Fraktur ist annähernd unbezahlbar und das Photomotiv eine unmöglich zu vergütende Lektion in Kitsch und Kotz.

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Für Hermann „Latinum“ Gremliza

Mittwoch, 6. November 2013 23:38

Wenn einer keinen Schimmer, aber viele Sprechblasen im Schädelkasten hat, und wenn er trotzdem vorgaukeln möchte, eine Art Bildung zu besitzen und sogar mal ein Buch durchgeblättert zu haben – dann muß er einen Satz wie den folgenden in Gips meißeln, eine Sentenz, in der das Nichtgelernte, das Nichtkapierte und das Nichtzuvereinbarende wie im Teilchenbeschleuniger kollidieren. Es handelt sich hier um exakt jene explodierende Halbbildung, die Theodor W. Adorno bereits vor 50 Jahren das Grauen gelehrt hat:

Trotzdem erstaunlich, wie wenig man heutzutage unterm Scheitel haben muß, um bei der größten der Parteien Diskussionsaufrufe verfassen zu dürfen. Denn von wem sonst als von denen hier –

Q

– sollte ein Satz stammen, der übersetzt etwa so lautet: „Laßt uns reden über … ‚Beruf und Kinder: Wohin gehst du?‘ – Es ist ja schon schwierig, einen Beruf zu fragen, wohin er geht. Aber noch schwieriger wird es, zu zweidreivier Kindern, die einem gegenüber stehen, zu sagen: „Wohin gehst du?“ – Wer freilich Hartz IV gut findet, der kann es mit der Grammatik auch mal etwas gelassener nehmen. Da erwartet niemand mehr mentale Spitzenleistungen.

Wie gaga, geistfern, gnomenköpfig die Partei August Bebels, Karl Kautskys und Willy Brandts unter Gerhard Schröder, Franz Müntefering und Andrea Nahles geworden ist, dokumentiert Albrecht Müller auf seinen – bei dieser Gelegenheit dringend empfohlenen – „Nachdenkseiten“ zwar viel gründlicher und engagierter, als unsereins Faulpelz es je vermöchte. Aber vor lauter politischer Auseinandersetzung vergessen Müller und seine Mitstreiter leider oft, zu oft, sich über die Streberdämlichkeit, die Beamtenwitzischkeit der verbliebenen Jenossen lustigzumachen. Obwohl sich aus dem bräsig der modischen Sprache hinterhereiernden Sprachmodus dieser Wichteltuer so gut wie alles andere erklärt.

Die komplette Pressemitteilung kann übrigens wer sich vor gar nix fürchtet hier nachlesen. Es locken Satzschmankerl wie dies: „Zu Beginn der Veranstaltung wird es einen Impulsvortrag … geben.“ Und nun wundere man sich bitte nicht, wenn die Parteibasis – nach einem Impulsvortrag Sigmar Gabriels – Anfang Dezember mit großer Mehrheit der großen Koalition und also der Selbstauflösung der Sozialdemokratie in Deutschland zustimmt. Aber vorher gibt‘s ein Flugblatt mit der Headline: „SPD: Quo vadis?“

Hoffentlich dahin, wo die Sonne nie scheint.

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The times, they’re not Assange-ing

Sonntag, 27. Oktober 2013 1:28

WikiLeaks, NSA, Angela Merkels Handy … Es scheint, als lebten wir in einer Zeit, in der die Mächtigen mächtig zittern müssen. Keine Geheimnisse mehr! Kein Geheimwissen! Die Utopie der Hippies geht in Erfüllung: Niemand kann sich mehr verstecken hinter großen Mauern der Geheimhaltung. Drum faßt euch alle an die Hände und seid Schwestern und Brüder …! Aber ist das wirklich so? Oder bloß virtuell?

Darüber läßt sich Kay Sokolowsky etwas ausführlicher aus in einem Essay für das neue Heft von Konkret. Anlaß dafür war der Film „Inside WikiLeaks“, der übrigens sehr schlecht wegkommt bei Sokolowsky. Aus guten Gründen. Für nähere Informationen erlegen Sie bitte den üblichen Tarif beim Zeitschriftenhändler Ihres Vertrauens.

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