1 Jahr „Abfall“: Happy Birthday!
Donnerstag, 6. Juni 2013 9:33
Politiker und Prominente aus aller Welt gratulierem dem „Abfall aus der Warenwelt“ zum ersten Geburtstag. Eine Auswahl
Angela Merkel, Pastorentochter
„Es ist mir als Bundeskanzlerin nicht oft vergönnt, Menschen zu treffen, die mich wirklich interessieren. Tagein, tagaus umgeben mich Schleimer, Flachschädel, Hackfressen und irgendwelche Scheißhaufen aus der Fraktion. Wie gern würde ich mal einen richtigen Menschen treffen! Zur Not würde es der Herr Sokolowsky tun. Aber noch lieber lernte ich den Zeichner Satyricos kennen. Das ist ein Mann nach meinem Geschmack – furchtlos, weise und mit einem Humor gesegnet, der mir schon viele dunkle Stunden erhellte. Wir mögen politisch nicht immer einer Meinung sein. Doch weil ich eigentlich zu nichts eine Meinung habe, geht das schon in Ordnung. Mein größter Wunsch ist, einmal von Satyricos karikiert zu werden.“
Caren Miosga, Klatschtante
„Soviel für heute aus den Katastrophengebieten der Republik. Denn nicht nur die Wasserpegel vermelden Rekordwerte – auch im Internet ist ein High-Score für die Geschichtsbücher aufgestellt worden. Bereits seit einem Jahr schmäht und verhöhnt der Blogger Kay Sokolowsky wahllos Stars und Namenlose, Mensch und Tier – nicht einmal Pflanzen sind vor ihm sicher. Dieser Leistung widmen wir in den ‚Tagesthemen‘ heute ein ganz besonderes Porträt und gehen dafür drei Minuten vom Sender.“
Abteilung: Selbstbespiegelung, Unerhört nichtig | Kommentare (3)
Das größte Mysterium des Frischverliebtseins ist die Begeisterung für Kitsch gleich welcher Art. Wiewohl die Liebenden, sofern sie halbwegs gebildet sind, die Plumpheit und Effekthascherei der Kitschobjekte durchaus durchschauen, erliegen sie dem Geplärr des Schlagers, den Saccharinfarben des Nippes, den Schmachtblicken der Schmierenschauspieler voll Seligkeit und Wonne. Zieht freilich der Rausch vorbei, bezahlt das Liebespaar fürs blendende Glück mit Schamgefühlen aller Art und gerät in die erste große Krise. Denn nun fragt sich auch, ob das Gefühl füreinander gleichfalls ein Riesenkitsch ist. Das läßt sich nicht ausschließen. Wer aber nie ein Rummelplatz-Souvenir für das Schönste hielt, was ihm je zu Gesicht kam, der hat niemals geliebt.
Gelegentlich hat es den Anschein, als gäbe es nur mehr zwei Sorten von Kindern: Solche, die in Not verwahrlosen, und jene, die in Liebe überwacht werden. Während die einen keine Regeln mehr lernen außer der obersten der Warenwelt – wer nichts hat, bekommt auch nichts –, ist im Leben der anderen alles geregelt. Keinen Schritt können sie tun, der nicht vorgeplant, kommentiert, photographiert würde. Beim Besuch eines Jahrmarkts im reichsten Bezirk der reichsten Stadt Europas wird das zuckerwattierte Elend der rundum behüteten Kinder offenbar. Am Autoscooter drängeln sich ihre Eltern und Großeltern, um nur ja keinen Juchz- oder Wehblök der goldenen Kälber zu verpassen. Daß der Rummelplatz für Kinder über zehn Jahre ein Reservat sein müßte, wo niemand ihnen reinquatscht, ignorieren die Alten komplett.
Menschenleere Wege sind in der Großstadt am Tag so rar, daß der Flaneur sich nicht recht entscheiden mag, ob er sie benutzen möchte. Einerseits lockt die Aussicht, abseits des üblichen Gewimmels zu wandern und sich dabei ein bißchen wie Marco Polo zu fühlen. Die Propaganda des Boulevards hat andererseits eingeschärft, überall Gewalt zu fürchten. Nicht daß man sich von dergleichen bange machen ließe. Eher schreckt die Vorstellung, drauflos zu laufen und auf halber Strecke Artgenossen zu begegnen, die die Illusion eines Abenteuers zerstören. So bleibt dem Einwohner der Metropole, der was erleben will, bloß die Wahl zwischen zwei Arten der Enttäuschung: Der, die ihm seine Skepsis vorab verschafft, und jener, die ihm die Mitbürger etwas später antun werden. Vielleicht wirken Spaziergänger am Sonntag in ihren Jack-Wolfskin-Jacken deshalb noch verdrossener als unter der Woche auf dem Weg zur Arbeit. Eine Zivilisation ohne Zivilisation: die Utopie schlechthin.
An den Fluß gehen und eine Flaschenpost hineinwerfen, die man an sich selbst adressiert hat: Das dürfte das Merkmal großer Dichtung sein in einer Zeit, die erstickt unter der Last des Gedruckten und Gebloggten, die vor lauter Ansprache taub ist, die ihre entsetzliche Flüchtigkeit durch die Verschriftlichung noch des dümmsten Mumpitz zu bannen versucht. Versänke die Flaschenpost auf ihrem Weg vom Absender zum Absender, käme die Menschheit vielleicht um ein millenares Meisterstück. Aber welch ein heroischer Untergang das wäre! Zu dichten, ohne je einen Leser zu finden, ist selbstverständlich keine Heldentat, sondern der Normalfall. Aber das Risiko, nie gelesen zu werden, mit großer Geste herausfordern, es der Gefahr vorziehen, vom falschen Publikum belästigt zu werden: Das hat Stil. Und den muß einer schon besitzen, wenn er das Schreiben ernsthaft betreibt.
Eventuell besteht das letzte Problem, das der Kunst zu lösen bleibt, darin, einen Müllhaufen schön aussehen zu lassen. Und zwar nicht, indem sie den Unrat so lange arrangiert und ausleuchtet, bis er sich in ein
Mannigfach sind des Menschen Möglichkeiten, sich mitzuteilen. Im weitesten Begriff ist alles, was er tut, kommunikativ konnotiert. Sogar eine Blähung kann ein Kommentar sein (wie umgekehrt viele Kommentare kaum mehr als Blähungen sind). Eine der markantesten, mächtigsten Botschaften ohne Worte sendet das Lächeln. Zugleich eine der mißverständlichsten. Es kann defensiv wirken, entschuldigend, zugleich herablassend, aggressiv. Wie alle mimischen Äußerungen erschließt seine Bedeutung sich allein aus der Situation, und auch die kann man mißdeuten. Für sich genommen, ohne Kenntnis des Kontextes, hat es gar nichts zu sagen, erscheint vielmehr dumm und leer. Hinzutritt die Entwertung des Lächelns durch seine Allgegenwart in Werbung, Politik und Medien.
Durch Zwielicht und Regenluft den