Der Blogger ist blockiert (5): Statusreport

Montag, 18. Februar 2013 15:59

Wie sagt der Volksmund? Auf einem Bein kann man nicht stehen. Ich kann jetzt auf zwei Beinen nicht mehr stehen. Das linke wollte vor vier Wochen nicht mehr, und so begannen meine angiologischen Abenteuer. Seit dem Einsatz zweier Stents in meine rechte Herzarterie am vergangenen Dienstag hat nun auch der rechte Huf keine Lust mehr, weiter als 50 Meter zu traben. Dann sitzt ein Schmerz in der Wade wie nach einem Treppenaufstieg ins 10. Stockwerk. Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Eingriff vor sechs Tagen und den Beschwerden seither bestehe nicht, wird mir versichert. Jedenfalls ist die Arterie stark verengt, und das muß sich ändern. Deshalb werde ich morgen – natürlich durch die Leiste, seufz – erneut einen Katheter eingeführt und einen Stent (siehe Bild) eingesetzt bekommen. Und womöglich werde ich Herrn G. wiedersehen. Aber das möchte ich uns beiden lieber nicht antun.

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Timmis Freunde kaufen die „Taz“ …

Montag, 18. Februar 2013 15:14

… denn darin können sie heute erfahren, wie der freundliche Igel unter die Miethaie geriet, wieviel sein alter Freund, die Hausmaus Konrad, für ein warmes Plätzchen im Heizungskeller abdrücken muß und warum Eichhörnchen Ulfs Charakter sogar noch schäbiger ist als bislang bekannt. Kay Sokolowskys aufrüttelnder Sozialreport „Kein Heim für Tiere“ liest sich übrigens am besten auf Papier. Deshalb: raus aus dem Haus und rein in den Kiosk! – Nur wer es mit den Beinen hat wie der Autor, darüber ein Attest vorlegt und außerdem ein angemessenes Flattr-Entgelt anweist, der darf die Geschichte auch online lesen. Aber sonst keiner!

Abteilung: Sokolowsky anderswo, Timmi und die Arkonigel, Timmis Freunde | Kommentare (0)

Der Blogger ist blockiert (4): Rezept

Samstag, 16. Februar 2013 0:18

Das ist nichts Neues unter der Sonne, ich weiß – aber für mich, der außer einer Gürtelrose 1991 und Migräneanfällen seit der Pubertät nichts Bedeutendes zu leiden hatte, schon ein Novum: Sobald man, weil der Organismus schwer gestört ist, mehr als zwei Medikamente einnehmen muß, sind immer Biochemikalien dabei, die eben das bewirken könnten, was andere Mixturen verhindern sollen. Die bei einigen Patienten zum Beispiel jene Nervenschmerzen auslösen, welche das Nachbarpräparat in der Pillenbox bekämpft. Beeindruckend lang sind die Listen der potentiellen Nebenwirkungen jener Tabletten, die morgens, mittags, abends in mich hineinrutschen. Leider sind die Seiteneffekte höchst selten so beruhigend ausgemendelt wie der Priapismus (Dauerständer) hie und die Erektionsstörung (Schlappschwanz) da.

Sondern meistens ist‘s zum Fürchten, was da statt Heilung angerichtet werden kann und sich zuweilen aufs scheußlichste ergänzt. Zum Glück habe ich ein Faible für Horrorstorys. Daher exzerpiere ich heute aus den Beipackzetteln meiner Artzeneyen; anderen Liebhabern des Morbiden zum Ergetzen und der Nachwelt zur Lehr‘.

Die schönste Formulierung habe ich übrigens grün eingefärbt. Denn grün ist die Symbolfarbe sowohl der Auferstehung als auch der Gifte. Und weil man ja stets das Licht in der Dunkelheit suchen soll, freut es mich, daß ich für gelegentliche Denkstörungen, Verwirrungen, Benommenheiten und Aggressionen gleich zwei Pharmaka als Ausrede anbieten kann. Was uns nicht umbringt, das macht uns nur Berserker (frei nach Fritz Nießwurtz)!

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Der Blogger ist blockiert (3): Kassiber

Donnerstag, 14. Februar 2013 22:02

Herr G. ist in Zimmer 8 der Chef oder hält sich jedenfalls dafür. Er will, nachdem ich an meinen Fensterplatz gerollt worden bin (kahle Äste vor Schiefer-
himmel), nicht wissen, wie‘s mir geht, sondern ob ich aus einem Zweibettzimmer hierher verlegt worden sei. „Nein, direkt vom OP-Tisch“, sage ich mit etwas Mühe. Das scheint den alten Mann zu verdrießen. Eventuell sammelt er Material für eine Verschwörungstheorie, die sich um seinen zweifellos skandalösen Fall dreht. Jedenfalls ignoriert er mich in den folgenden Stunden.

Erst als meine Frau mit der Übernachtungstasche erscheint, wird er wieder gesprächig. Wir wundern uns, daß zwischen Herrn G.s und meinem Bett so viel Raum ist. Das bleibe nicht so, der Mann komme bald wieder, rasselt Herr G. (er hat was mit der Lunge). „Ein Türke“, sagt er in einem Tonfall, der alles ausdrückt, wofür Thilo Sarrazin, die Niete, 500 Buchseiten braucht. – „Oh“, sage ich, „kein Problem, ich mag Türken.“ Schlagfertiger kann ich gerade nicht. Für Herrn G. reicht‘s als Provokation. „Na“, sagt er, „ob Sie das auch mögen, wenn hier alles voll ist mit seiner Familie … Bis zur Wand stehen die, überall.“ – „Stört mich nicht“, sage ich, „dann muß ich wenigstens mein eigenes Gejammer nicht hören.“ Martina lacht, Herr G. ist erneut verdrossen. Ich kann nicht behaupten, daß mir das leid tut.

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Abteilung: Man schreit deutsh, Selbstbespiegelung | Kommentare (3)

Der Blogger ist blockiert (2): Bulletin

Mittwoch, 13. Februar 2013 18:09

Erfolgreiche Rekanalisation, PTCA und Stent-
implantation von 2 medikamenten-
beschichteten Stents („Drug-eluting“) der RCA. Koronare 1-Gefäß-Erkrankung. LV-Funktion systolisch normal. EF 60 %. … Der Patient wurde postinterventionell mittels Monitoring überwacht und zeigte sich hierbei allzeit atem- und kreislaufstabil.

PS. Ich frage mich, wenn ich so was lese und abtippe: Dient es evtl. der atem- und kreislaufstabilisierenden Beruhigung des Patienten, medizinische Berichte allzeit in einem Jargon zu verfassen, den der Laie nicht zu dechiffrieren vermag? Um den Preis allerdings, daß der Kranke sich wie ein defekter Dieselmotor vorkommt oder wie eine kaputte Kaffeemaschine. – Jedenfalls trage ich jetzt zwei Spiralen („Stents“) in der rekanalisierten RCA spazieren und meine rechte Leiste fühlt sich postinterventionell so an, als hätte Zlatan Ibrahimović vollspann reingetreten. Trotzdem bin ich, das weiß ich, glimpflich davongekommen. Dafür danke ich meinen Ärzten, ganz gleich, wie ihr Jargon mich irritiert. (Was außerdem in Haus 4 A, Station 21, passierte: bald in diesem Blog.)

Episode 1: Verschlußsache
Episode 3: Kassiber
Episode 4: Rezept

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Der Blogger ist blockiert (1): Verschlußsache

Montag, 11. Februar 2013 22:20

„Der Fuß“, schreibt unser bedeutendster Dichter Ror Wolf in seiner Inkarnation als Raoul Tranchirer, „ist neben dem Gehirn die Hauptsache der Menschenform.“ Außerdem lernen wir aus Raoul Tranchirers vielseitiger großer Ratschläger für alle Fälle der Welt 1 über „Füße, kalte“: „Die Füße sind bezüglich der Blutversorgung die am meisten benachteiligten Teile des Menschen, weil sie am weitesten vom Herzen entfernt sind und weil das Blut bei seinem Rückweg bergauf laufen muß.“ Vor einem runden Vierteljahrhundert habe ich diese Zeilen das erste Mal gelesen; aber erst heute ist mir klar, daß in ihnen mindestens so viel Wahrheit wie Komik steckt.

Denn seit einem Monat macht mein linker Fuß mir zu schaffen – um es zurückhaltend auszudrücken. Er glüht und krampft, sticht und kribbelt, pocht und drückt, pausenlos, Tag und Nacht. Vor allem nachts. Das ist wie ein Sonnenbrand mit Mückenquaddeln. Oder wie nach einer Waldwanderung in Flip-Flops. Eine gewisse Taubheit, als hätte der Fuß stundenlang in Eiswasser gebadet. Ein gewisser Druck, als stünde man auf der Kante eines Ziegelsteins. Eine gewisse Lähmung, als sei um die Wade ein Gummischlauch geknotet. Nein, schlimmer. Es ist wie nichts, das ich jemals erfahren habe. – Ah, nun komme ich auf den passendsten Vergleich: Linker Fuß und Knöchel fühlen sich an, als trüge ich einen Gummistiefel, der zwei Nummern zu klein ist, und außerdem Socken aus unbehandelter Wolle.

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Abteilung: Selbstbespiegelung | Kommentare (2)

Of the people by the people for the people

Montag, 4. Februar 2013 22:17

In der Februarausgabe von Konkret äußert sich Kay Sokolowsky sehr wohlwollend über Steven Spielbergs neuen Film „Lincoln“, aber das war ja nicht anders zu erwarten. Hr. Sokolowsky ist, was Mr. Spielberg betrifft, seit je von großem Wohlwollen bestimmt. Immerhin kann er auch begründen, warum ihm die Angelegenheit so gut gefällt. Leider hat Sokolowsky vor lauter Wohlwollen einen dicken Bock geschossen und das Premierenjahr von „Close Encounters of the Third Kind“ ganz falsch gesetzt. Dieser grandiose Film kam nämlich nicht, wie der Vollhorst S. behauptet, 1980 ins Kino, sondern bereits 1977. Im Jahr 1980 erschien die leider nicht mehr so grandiose „neue Version“ der „Unheimlichen Begegnung“. Mit diesem verheerenden Fehler hat sich S. für alle Zeiten als ernstzunehmender Filmkritiker diskreditiert!

Gebeugt vor Gram wegen seines Schnitzers freut der Autor sich umso mehr über folgendes Lob von Leser Frank Eric: „In jeder Konkret gibt es mindestens einen Satz, der mich noch Wochen später zu einem fröhlichen Lächeln zwingt. In dieser Ausgabe (1⁄2013) kam der Satz von Kay Sokolowsky. Für die Formulierung ‚Es gibt Köpfe, in denen möchte man nicht fünf Sekunden lang wohnen‘, bin ich Ihnen vorläufig erst einmal ewig dankbar!“ Gern geschehen und gleichfalls merci! (Der unbewohnbare Schädel gehört übrigens Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo.)

Warum aber der Blogger Kay Sokolowsky so lange nichts von sich lesen ließ, verrät er demnächst. Bloß zwei Worte jetzt: „Akuter Arterienverschluß“. Klingt übel? Klingt nicht nur so.

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Director’s Cut (5): Sein letzter Böller

Montag, 31. Dezember 2012 12:00

Die Serie „Director‘s Cut“ versammelt Texte von mir, die bereits vor Jahren, aber nie in ihrer ursprünglichen Form erschienen sind. Hier sind sie endlich so zu lesen, wie sie mal gedacht waren, bereichert um Szenen oder Exkurse, die einst an den engen Grenzen des Layouts scheiterten, beschnitten um Sätze und Formulierungen, die dem Autor heute eher peinlich sind. Für jede Neupublikation gibt es einen Grund – heute ist es das, was Jungs zu Silvester am meisten Spaß macht. In diesem Sinne:
Komm‘ Se jut rin!

Manchmal träumte Uwe von Atompilzen. In diesen Träumen hörte er ein Donnern, das von Horizont zu Horizont rollte. Es grollte hinauf bis in den Weltraum und hinab in den glühenden Kern der Erde. Ein Knall, der nie verhallte, ein Geräusch, laut genug, um alle Katzen, Hunde und alten Knacker der Welt in einen Schrecken ohne Ende zu versetzen. Für einen Jungen von elf Jahren waren das recht ungewöhnliche Träume. Kurz vor Silvester hatte Uwe überhaupt keine anderen Träume mehr. Da war jedesmal ein Blitz, den Blinde sehen, ein Krach, den Taube hören konnten, und wenn er aufwachte, hatte Uwe etwas Feuchtes in der Pyjamahose, das er für Pipi hielt.

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