Schniefenpsychologie

Dienstag, 3. März 2015 23:18

Eisrotz_(c)_Kay_SokolowskyIn Dan Simmons‘ prächtigem Abenteuerschauerhistorien-
schmöker Terror hat eine eher beschauliche Szene mich besonders, gleichsam synästhetisch beeindruckt. Denn ich las sie das erste Mal, als ich genauso fies verschnupft war wie dieser Tage. Die Passage beschrieb und beschreibt die Verstopfung meines Kopfes, den Geschmack in meinem Mund, das Geklump in meinem Hals und den Glitsch in meiner Nase besser, als ich es selber könnte.

Zur Vorgeschichte: Der britische Marineleutnant John Irving hat eine junge Eskimofrau kennengelernt. Sie spendiert ihm aus Gastfreundschaft einen ordentlichen Streifen Robbenspeck; und der halbverhungerte, mit seinen Kameraden seit Monaten im arktischen Packeis gefangene Seemann greift nicht bloß aus Höflichkeit zu.

Es schmeckte wie ein seit zehn Wochen toter Karpfen, der unter den Abwasserrohren von Woolwich aus dem Schlamm der Themse gegraben worden war. Irving hatte das dringende Bedürfnis, sich zu übergeben, und setzte bereits an, den Bissen halb zerkauten Specks auf den Boden des Schneehauses zu spucken. (…)
Zu seinem Entsetzen sah er, daß die Eskimofrau andeutete, er möge noch mehr von dem köstlichen Speck verzehren.
Immer noch lächelnd schnitt er sich ein Stück ab und schluckte es hinunter. So mußte es sich anfühlen, wenn man sich einen riesigen Klumpen Nasenschleim eines anderen Geschöpfs in den Mund steckte.

Und nun wissen Sie, wie‘s mir derzeit geht. Ich bin mir selbst mein anderes Geschöpf.

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Der schreckliche Iwan (16): Ungestauter Haß

Montag, 2. März 2015 22:32

Raten Sie mal, wo folgendes Zitat zu lesen ist – und zwar nicht bloß unwidersprochen, sondern affirmativ avec aplomb:

„(Viele deutsche Politiker) unterschätzen die Verschlagenheit und die Brutalität von Russen.“

Nein, falsch, das stammt nicht aus dem Völkischen Beobachter von 1942. Auch nicht aus der National-Zeitung von 1982. – Wie bitte? Heinrich-Böll-Stiftung? Schon wärmer, doch immer noch daneben.

Diesen Satz, den Joseph Goebbels nicht authentischer hätte hetzen können, hat Die Zeit veröffentlicht. Ausgesprochen wurde er von dem baptistischen Eiferer Hermann Hartfeld. Das 1-a-Propagandastück – in dem es wieder mal gegen die unfaßbar bösen „prorussischen Separatisten“ geht – faßt Hartfelds legenda aurea so zusammen:

Ein rundes Gesicht mit einem freundlichen Ausdruck. Er ist Pastor im Ruhestand und hat viel gesehen. Geboren ist er im November 1942 in Omsk, als die deutsche Wehrmacht Stalingrad eingenommen hatte und die Rote Armee begann, die Deutschen einzukesseln.

So verschlagen und brutal waren die Russen nämlich schon damals: lockten die arglosen Deutschen nach Stalingrad, um sie dann gemütlich auszuhungern!

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Film in vier Versen (2)

Sonntag, 1. März 2015 16:25


Hatschi half der Oma

Der gemeine Schnupfenschleim
sucht Nasen aller Arten heim.
Niesend gleicht der Mensch dem Tier.
Aber wir ham warmes Bier.


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Vitamin B (wie bescheuert)

Samstag, 28. Februar 2015 22:34

Das erwartet eins nun wirklich nicht – im aktuellen Reklameprospekt des Discounters Lidl die Antwort auf eine der letzten Fragen der Menschheit zu finden:

Gutes_Obst_Lidl_01_(c)_Kay_Sokolowsky

Und folgende Patentlösung hätte eins erst recht nicht erwartet:

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Film in vier Versen (1)

Freitag, 27. Februar 2015 21:49


Das Mysterium des Messerhelden

Wie, o Zauberer der Zwiebel,
wehrst du ab ihr größtes Übel?
Was mag dein Geheimnis sein?
Ich muß schon beim Hinschaun wein‘.



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Man schreit deutsh (14): Gesichtskontrolle

Donnerstag, 26. Februar 2015 23:59

Symbol-Bild

Symbol-Bild

Die jenseits der Grenzen vonn1932 widerwärtige, chauvinistische, diskriminierende Selfie-Kampagne, die der feinenHerr Diekmann in seinem sauberen Blatt gestartet hat –;

diese Aufforderung annjeden Trottel und Scheißkerl, an jede Idiotinnund verhinderte BDM-Scharführerin, sich vor die herzlose Brust ein Stück Abortpapier zu halten, auf dem gedruckt steht: „NEIN – keine weiteren Milliarden für die gierigen Griechen!“ –;

dieser weitere Beweis (neben Milliarden früheren) für die Geldgier und die Gefährlichkeit eines Dreckerzeugnisses, das im Kampf gegen schwindende Auflagen nichts unversucht läßt, um Verstand, Sitte, Mitleid, kurz: die Humanitas zu schänden –;

dieses Aufknütteln der niedrigsten Instinkte von Leuten, deren höchstes Gefühl im Hosenstall von Effjott Wagner steckt, deren größte Lust in den Blutspurbildern von Bild liegt, deren menschlichste Regung sich als Sabbern über erstunkene Skandale äußert –;

———————————- dieser Aufruf zu Volkes Erwachen hat, wie alles Teuflische, allerdings ein Gutes: Der häßliche Deutsche bekommt wieder ein Gesicht, in das man spucken kann.

PS. Mal sehen, wann Bild-Ikone Alice Schwarzer ihr Selfie einreicht. (Oder ist es schon da? Ich klick nicht auf Bild.de, ich hab Angst vor ansteckenden Geisteskrankheiten.)


Photo (Ausschnitt): By Codeispoetry (Own work) [GFDL
or CC BY-SA 3.0],
via Wikimedia Commons

 

 

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Bee yourself

Mittwoch, 25. Februar 2015 23:24

Biene_bei_der_Arbeit_(c)_Kay_SokolowskyAus einem sehr lesenswerten Interview des Zeit-Magazins mit demZoologen und Neurobiologen Randolf Menzel erfahre ich, daß Honigbienen nicht nur Nektar sammeln können. Sie sind auch fähig, Hunderte ihrer Stocknachbarn individuell zu unterscheiden … zu zählen … eigenständig Abkürzungen für ihre Flugrouten auszuknobeln … Freude und Wut zu empfinden … vielleicht sogar zu träumen. Die Biene, stellt Menzel fest,

hat nicht nur eine Vorstellung von der Welt, sondern auch von sich selbst. Wenn sie sich für oder gegen etwas entscheidet, sagt sie Ergebnisse ihres eigenen Handelns voraus. Dazu braucht sie zum Beispiel ein Erleben und eine Simulation des eigenen Körpers. Die Biene weiß, wer sie ist.

Das hat sie mir voraus. An Tagen wie heute jedenfalls

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Man schreit deutsh (13): Culture Grub*

Dienstag, 24. Februar 2015 23:59

Den Stolzdeutschen erkennt man daran, daß er seine schöne Mutter Sprache schändet, wann und wo immer es ihm das Maul aufreißt. Je mehr Vaterland in einem teutschen Menschen steckt, desto weniger Liebe bleibt, scheint‘s, übrig für das Wertvollste, was der Zufall der Geburt ihm geschenkt hat. Bei den lupenreinen Nazis schlägt Gleichgültigkeit gegen Vokabular, Genus, Grammatik, Syntax und Tempus in Haß um: Haß auf die enorme Integrationsfähigkeit des deutschen Wortschatzes, Haß auf die Komplexität und Tiefe des Idioms, Haß auf alle, aus deren Mund das Deutsche nicht wie das Bellen eines Rottweilers, sondern so betörend klingt, wie diese Sprache es zuläßt, wenn ein Sprecher ihr schöne Augen macht statt sie zu würgen.

Und daher kann folgender Satz natürlich nur in dem Programm einer Nazipartei (in diesem Fall: „Die Rechte“) stehen:

Die Deutsche Kultur mit seinen zahlreichen Prägungen ist in der ganzen Vielfalt zu erhalten und zu fördern.

Da ist mir um der Deutschen Kultur ja nicht mehr zu fürchten.

* Ein Seitenstück zum Blogpost von gestern

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